Ausstellung und Auflösung (oder: wieviele Megapixel brauche ich tatsächlich?)

Bildbetrachter nah an kleinem Bild

An ein kleines Bild muss man näher heran (es handelt sich übrigens um eine andere Ausstellung in einem anderem Museum)

Manchmal kommen Dinge überraschend passend zusammen. Dinge, die auf den ersten Blick eigentlich überhaupt nichts miteinander zu tun zu haben, scheinen sich dann aber doch ergänzen.

Gestern abend war ich bei der Eröffnung der sehr empfehlenswerten Ausstellung „Das rebellische Bild“ im Museum Folkwang in Essen zu Gast.

Und heute leitet mich eine Anzeige bei Facebook auf eine Internetseite, wo gegen Gebühr ein Online-Videokurs zum Thema Digitalfotografie angeboten wird.

Es gab da einen Testzugang, um den Kurs ein wenig auszuprobieren. NeugIerig wie ich bin, habe ich geklickt. Recht schnell wurde ich dann in dem Videotutorial quasi direkt mit der Nase auf eine Aussage gestoßen, die zwar plausibel klingt, aber nichtsdestotrotz falsch ist.
Weil diese Behauptung (s.u.) oberflächlich betrachtet plausibel klingt, wird sie unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt von vielen bei Facebook etc. nachgebetet. Und manche verbreiten das auch recht lautstark in ihren Tutorials, Artikeln und Büchern weiter.
Aber sie wird dadurch nicht wahrer.
(Zu diesen lauten Scharlatanen habe ich einen Artikel geschrieben: Trau? Schau wem! oder: „Unter den Blinden ist der einäugige König“

Nicht vergessen:
Das Optimierungspotentiale in der Fotografie liegt in der Regel einige Zentimeter hinter dem Sucher!

Ich biete Bildbesprechungen nicht nur im Rahmen meiner regelmäßig stattfindenden zweitägigen Gestaltungskurse an, sondern auch als preiswerte individuelle Online-Treffen. Ich würde mich freuen, Dir in dem Rahmen Tipps und Hinweis zur Gestaltung Deiner Bilder geben zu können.
Informationen und Anmeldung

Wieviel Megapixel sollte meine Kamera haben?

Es ging in dem erwähnten Kursteil um die Auflösung, die eine Digitalkamera haben sollte.
In dem Kurs (nein, ich schreibe jetzt nicht wo) wurde dazu behauptet, dass man von einem sechs-Megapixel-Bild problemlos, also ohne (Qualitäts-)Nachteile, bis zur Bildgröße einer DIN A4-Seite ausdrucken können.
Das stimmt — und es stimmt aber auch nicht.
Das Problem lieg in dem Wörtchen „bis“.
Für DIN A4 reichen sechs Megapixel in der Regel tatsächlich meist völlig aus. Aber das Wörtchen „bis“ erweckt den Eindruck, dass diese sechs MP für größere Bilder nicht mehr reichen würde, dass man dafür mehr Auflösung brauchen würde.
Das erscheint auf den ersten Blick ja auch nur zu logisch (leider), für eine größere Fläche braucht man doch sicher mehr Bildpunkte. Wenn die Terrasse größer werden soll, braucht man doch schließlich auch mehr Fliesen.

Und weil es sich so verführerisch logisch anhört, findet man diese Überlegung leider recht häufig in Texten im Internet/Bücher, bei YouTube-Erklärern etc. Und weil (siehe oben) unter den Blinden der Einäugige König ist, wird das auch noch fleissig weiter verbreitet.
Doch die Autoren, die solche Texte verfassen und damit womöglich Fotoanfänger in die Nachteile der Megaauflösung (siehe weiter unten: „Megapixel und die Folgen“) treiben, haben nur auf den ersten Blick recht.
Aus der Nähe betrachtet(!) sieht das ganz anders aus.

Bitte Abstand halten

Das konnte ich (und da kommt jetzt der erwähnte Ausstellungsbesuch ins Bild) gestern Abend wieder schön beobachten. In der Ausstellung werden Bilder unterschiedlicher Fotografen gezeigt, und von Polaroid oder WPK sind bis zu richtig großen Bildern sind alle möglichen Bildgrößen vertreten.
Und was machen die Besucher? An die kleinen Bilder gehen sie näher heran und von den größeren Exemplaren halten sie mehr Abstand.
Die Mueseumsbesucher möchten anscheinend auf der einen Seite die Details der Bilder sehen, andererseits aber auch das Bild als Einheit, als ganzes gestaltetes Objekt mit seinen internen Beziehungen, Linien, Flächen, (optischen) Gewichten, Formen etc. wahrnehmen.

Um beiden Wünschen gerecht zu werden, halten wohl viele Menschen instinktiv einen u.a. von der Größe des Bildes abhängigen Abstand ein, oft in etwa so groß wie die Diagonale des Bildes. (Durch extreme Bildformate und besondere Bildgestaltung kann sich der Abstand ändern.)

Wenn man diese Beobachtung und den daraus resultierenden „typischen“ Abstand nun berücksichtigt, kann man mit etwas Überlegung zu einer „sinnvollen“ Auflösung kommen. Ein Bild benötigt nur so viele Details, wie ein Mensch aus dieser Entfernung erkennen kann. (Evtl. plus eine „Sicherheitsmarge“, falls jemand mal näher herantreten möchte.)

An kleinere Bilder tritt man näher heran und sieht dann genauso viele Details wie von größeren Bildern aus der Entfernung. Da man von größeren Bildern einen größeren Abstand einhält, bleibt die benötigte Auflösung („Detailmenge“) gleich.

Bei zum Abstand proportionaler Bildgröße sind Details immer im Verhältnis gleich groß (Strahlensatz)

Bei zum Abstand proportionaler Bildgröße sind Details aus der Sicht des Betrachters (roter Punkt) immer im Verhältnis gleich groß [Das ist quasi der Strahlensatz aus „Mathe“ im Kunstunterricht. ;-) ]

Sechs Megapixel

Beim Demosaicing (damit werden die Bilder aus den Messdaten eines Aufnahmesensors erzeugt, siehe Einschub etwas weiter unten) können möglicherweise Fehler (u.a Unschärfen bzw. Auflösungsverluste) auftreten. Um diese auszugleichen, nimmt man einen etwas höhere Auflösung an, als das menschliche Auge erkennen kann und landet bei den bereits erwähnten sechs Megapixel.
Aber eben nicht nur für „bis“ DIN A4, sondern im Prinzip für alle Bildgrößen.

Natürlich ist es nicht falsch, mit etwas Reserve zu arbeiten, um zum Beispiel einen leichten Beschnitt oder eine perspektivische Entzerrung machen zu können. Aber so um 12 Megapixel, das sollte dann eigentlich wirklich reichen.

Alles „zuviel“ an Auflösung kann, wenn man sie dann auch verwenden will, zu einem Rattenschwanz von ärgerlichen (und vermeidbaren) Konsequenzen führen.

Demosaicing?

Es gibt, von einigen rein schwarzweiß aufzeichnenden Kameras abgesehen, gar keine Digitalfotografie ohne dieses „Demosaicing!
(Zumindest nichts, was wir im Laden kaufen könnten)

Die typischen Aufnahmesensoren sind einfach (noch?) nicht in der Lage, Farben zu unterscheiden. Pro Bildpunkt erkennen sie immer nur die Helligkeit einer der drei digitalen Grundfarben, Rot, Grün und Blau.

Das Ergebnis der Belichtung ist deshalb zuerst immer nur ein Mosaik von mehr oder weniger hellen Bildpunkten, die die Helligkeit des Lichtes einer der drei Grundfarben an diesem Punkt repräsentieren. Dieses Mosaik muss dann in der Folge noch zum “richtigen” Bild interpretiert werden. Diesen Vorgang nennt man unter Foto-Nerds auch Demosaicing.

Eigentlich ist das genauso wie früher, das Bild muss erst noch entwickelt werden.

(Siehe auch: „Wer richtig belichtet, der braucht keine Bearbeitung! Stimmt das?„)

Megapixel und die Folgen

Man darf nicht übersehen, das mit dem vermeintlichen Bedarf an hohen Megapixelzahlen auch einige Konsequenzen einhergehen.
Damit die vielen Megapixel nicht nur unscharfen Pixelbrei abbilden, benötigt man „bessere“ und damit zumeist teuerere Objektive.

Will man die höhere Auflösung wirklich sehen (und unsichtbar ist sie ja sinnlos) muss man näher an das Bild herangehen.
Technische Fehler bei der Aufnahme werden dann aber schneller sichtbar. Und so  muss man bei der Berechnung der Freihandgrenze („Bei welcher Belichtungszeit kann man noch aus der Hand fotografieren ohne das Bild zu verwackeln?“) und der Schärfentiefe („Wann wird die Unschärfe so stark, dass der Betrachter sie sieht?“) viel kritischer vorgehen.

Aus kurzem Abstand betrachtet benötigt man für die Schärfentiefe kleinere Blendenöffnungen, was zu (sichtbar mehr) Beugungsunschärfe führen kann (Siehe auch diesen Beitrag zur Schärfentiefe).
Und für die (wegen der höheren Ansprüche an die „Bewegungsschärfe“ nötigen) kürzeren Belichtungszeiten muss man öfter höhere Empfindlichkeiten verwenden – mit der bei höheren ISO-Zahlen bekannten Konsequenz stärkeren Bildrauschens.

Sehr ärgerlich ist, dass gerade diese Fehler aus dem kurzen Betrachtungsabstand dann auch noch deutlicher sichtbar werden. Man muss mit den Einstellungen also sehr vorsichtig sein.

Und, zum Schluß, aber das sollte man nicht vergessen, steigt mit der Auflösung auch die Datenmenge. Das führt zu größeren Speicherkarten und größeren Festplatten (und längeren Bearbeitungszeiten).

Aktualisiert:
Aus einer anderen Richtung kommt Michael J. Hußmann in seinem Text im Blog von DOCMA zu ganz ähnlichen Überlegungen.

Und noch eine Aktualisierung:
Auf der Seite „Fstoppers“ gibt es einen Film zu dem Thema bei dem es um ein riesengroßes Transparent geht.

Schon komisch, im Vergleich zum Anfang der Digitalfotografie haben heutzutage vermutlich die meisten Digitalfotografen mehr als genug Megalpixel zur Verfügung, aber irgendwie ist das Thema immer noch aktuell.

Ausnahmen

Es gibt auch Ausnahmen, spezielle Bilder brauchen machmal sehr viele Pixel, das betrifft solche, die vor allem und in erster Linie von sehr vielen Details leben. Bei Ihnen sieht das also etwas anders aus. Solche Bilder können oft gar nicht genug Auflösung haben um auch winzigste Motivdetails zu zeigen.

Es gibt z.B. den Bereich der „technischen“ Bilder, die feinste Details eines Werkstücks erfassen um z.B. Veränderungen beobachtbar zu machen.

In der gestalterischen Fotografie handelt es sich bei Bildern, die hohe Auflösungen nötig machen, häufig um Panoramen oder Luftbildaufnahmen. In diesen Fotografien wandert der Betrachter nach und nach mit dem Auge umher und erfährt so das Bild auf ganz andere Art,
Interessanterweise werden bei solchen Bildern die üblichen Gestaltungsmittel meist nicht verwendet, so dass ein kürzerer Betrachtungsabstand zum Bild auch aus dieser Sicht unproblematisch ist.

Allerdings verlieren diese Fotos ihre Wirkung oft fast völlig, wenn sie, z.B im Fotobuch oder auf dem „Handy“, relativ klein präsentiert werden. Solche „Wimmelbilder“  können im „PIxieformat“ einfach nicht so gut wirken.

Und natürlich muss man die oben aufgeführten Anforderungen an Schärfentiefe und Bewegungsdarstellung gerade bei solchen detailreichen Bildern sehr genau berücksichtigen. Und versuchen, die sich ergebenden negativen Konsequenzen zu minimieren.


9 thoughts on “Ausstellung und Auflösung (oder: wieviele Megapixel brauche ich tatsächlich?)

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  3. Ulrich Thiele

    Hier wäre auch noch ein weiterer verbreiteter Fehler anzumerken: Die Kamera liefert PIXEL, d. h. eine Farbtiefe von 24 bit, deswegen heißt ihre Auflösung auch: ppi. Im Druck muss gerastert werden, d. h. die Basisauflösung des Druckers oder des Belichters reduziert sich um den Faktor 16 (seltene Druckverfahren ausgenommen), deswegen wird die Auflösung des Druckers mit dpi angegeben.

    Bleiben wir also beim Beispiel der 6MP-Kamera. Welche Druckbreite kann ich im Querformat damit also erreichen bei bestmöglicher Bildwiedergabe? Die genannte Kamera habe also 3000 PIXEL horizontal. Den Faktor 16 berücksichtigt brauche dafür also 48.000 dots. Ein hochwertiger Belichter, dessen Auflösung seit Beginn des Denkens aufgrund des im Artikel genannten Betrachtungsabstandes nach wie vor bei – sagen wir – 2400 dpi liegt, würde also genau 20 inch Druckbreite bei optimaler Bildausnutzung erlauben. Nun ja, fortgeschrittene Rasterverfahren, wie chaotische oder Starscreening Nachf. liefern bessere Auflösungen, aber der Betrachtungsabstand bleibt ja unser Maß.

    Übrigens: Der ahnungslose Verbraucher fällt auch auf die neuen Fernseher mit 2m Diagonale und 8k-Auflösung herein, macht sich aber nicht klar, dass der alte HD-Fernseher mit 50 cm Diagonale denselben Schärfeeindruck liefert.

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