Winter – Fotografieren bei (zu-) wenig Licht

Illustration zu "An Weihnachten fotografieren"

An Weihnachten fotografieren ist für diesen kleinen Kerl einfach, seine Familie hält sicher still.

(Akt. 04.12.2022) Der eine oder andere wird zu dieser dunklen Jahreszeit bei den anstehenden Familienfeiern fotografieren dürfen/müssen.
Und da es zu dieser Jahreszeit meist recht dunkel ist, muss ein Blitzgerät her.
Wirklich?
Nein, nicht unbedingt!

Versuche es doch ruhig einmal mit höherer Empfindlichkeit. Einigermassen aktuelle Kameras machen auch bei ISO-Werten von 1600, 3200 oder gar 6400 (und mehr) noch ganz annehmbare Bilder.

In der 100% Ansicht sieht man dann zwar
tatsächlich mehr oder weniger starkes Rauschen, aber da man die Bilder dann später meistens nicht aus dieser viel zu kurzen Distanz ansieht, führt dieser Eindruck oft in die Irre.

(Was bedeutet in diesem Zusammenhang „zu kurze Distanz“? Hier findest Du meinen Beitrag zum Thema Betrachtungsabstand und die Auswirkungen .)

Im späteren Bild im Fotobuch oder bei Oma an der Wand ist das Rauschen dagegen meist überhaupt nicht zu sehen oder fällt zumindest nicht störend auf.

Und wenn das Rauschen doch mal störend stark sein sollte, dann gibt es mittlerweile (Ende 2022) einige Softwarelösungen (unter anderem von DXO und Topaz), die mittels KI erstaunlich gut entrauschen — noch lange nicht perfekt, aber schon sehr gut.

Blitzen ist manchmal schlimmer

Der Verlust der (Licht-)Stimmung im Bild durch „unsachgemässes“ Blitzen ist da meist viel schlimmer als die Beeinträchtigung der Bildqualität durchs Rauschen.
Mach doch einfach mal ein paar Testbilder mit unterschiedlich hohen Empfindlichkeiten und drucke diese in „üblicher“ Größe aus. Du wirst sehen, das Rauschen ist hinterher meist gar nicht so schlimm, wie man befürchtet.

Stabilizer verwenden!

Illustration zum Stabilizer

Der Stabilizer sitzt bei Canon im Objektiv

Wenn Du diese Testbilder aufnimmst, kannst Du auch gleich mal ausprobieren, wie der „Stabilizer“ an Deiner Kamera und/oder Deinem Objektiv funktioniert (sofern vorhanden) und wie lange Du (mit oder ohne Stabi) noch aus der Hand fotografieren kannst ohne im Bild sichtbar zu verwackeln.

Probiere das mal für die unterschiedlichen Brennweiten aus. Wähle dazu in der Zeitvorwahlautomatik (TV, T oder S) oder in der manuellen Belichtungseinstellung längere Belichtungszeiten vor und fotografiere dann damit. „Gemäßigte“ Weitwinkel erlauben dann durchaus 1/15tel oder länger, erst recht mit Stabilizer.

Das gilt natürlich nicht für wilde Parties, denn da würden durch die tanzenden Menschen längere Belichtungszeiten zu starken Bewegungsunschärfen führen. (Der Effekt kann natürlich auch gewünscht sein)
Diese Wischer kann der „Stabi“ nicht verhindern. Aber bei einer ruhigen Familienfeier mit  Kindern, die konzentriert mit den Geschenken (nicht gerade ein Trampolin) spielen, sieht das mit den langen Zeiten schon wieder ganz anders aus.

Lichtstarke Objektive, die große Blendenöffnungen erlauben, können bei wenig Licht natürlich sehr hilfreich sein, sie ermöglichen kürzere Belichtungszeiten und niedrigere ISO-Werte. Aber woher nehmen?
Mein Tipp: Schenken lassen! Ist ja bald Weihnachten ;-)

Sie sind aber keine Universallösung, denn die großen Öffnungen führen zu – eventuell unerwünscht – kleinen Schärfentiefebereichen.
Natürlich freuen sich einige sicherlich über unscharfe Hintergründe und rufen laut „Hurra, Bokeh!“.
Aber wenn man die Motivdetails nicht durch kleine Schärfentiefe aus ihrer Umgebung herauslösen will, weil dadurch dann vielleicht die Geschichte und Stimmung im Bild verlorengeht, ist die große Blendenöffnung keine rechte Hilfe.

Die Schärfentiefe kannst Du Dir hier ausrechnen lassen. (Aber ein Warnung vorab: was helfen Dir die Zahlen wirklich? Wie klein bei Deiner Kombination die Schärfentiefe wird (und werden darf), das wirst Du ausprobieren müssen. Und das machst Du besser vor dem „Ernstfall“!

Stativ

Natürlich kann man bei wenig Licht ein Stativ einsetzen, aber auf der anderen Seite kann das bei Bewegung und Aktion auch ziemlich stören. Und wenn jemand darüber fällt, ist evtl. nicht nur die Kamera hin, sondern er hat sich auch noch verletzt.
Das ist also eher für Aufnahmen von Weihnachtsdekoration etc. geeignet, nicht so sehr für Familienfeiern.Ich werde hier an dieser Stelle deshalb nicht weiter darauf eingehen.

Weißabgleich

Ein anderes Problem ist die künstliche Beleuchtung, an der heutzutage nicht nur Glühlampen und Kerzen, sondern auch alle möglichen anderen Lichtquellen von Neon über Halogen bis zu den diversen Arten von LEDs beteiligt sind.
Da wird dann das Thema Weißabgleich interessant.
Den Weißabgleich solltest Du wegen der vielen verschiedenen Lichtquellen ruhig auf Automatik stellen. Wenn Du mal länger in der gleichen Lichtsituation bleibst, könntest Du natürlich auch einen manuellen Weißabgleich vor Ort machen.

Aber bewerte das mit dem manuellen Weißabgleich nicht über! Manche Leute machen einen ordentlichen „Bohei“ um den vermeintlich richtigen Weißabgleich. Und übersehen dabei, daß Bilder nicht immer messtechnisch neutral sein müssen, sondern oft über die Lichtfarbe auch die (Licht-)Stimmung vermitteln sollen. (Siehe auch: “Richtiger” Weißabgleich – ein Ammenmärchen

Auf keinen Fall solltest Du aber vergessen, zwischendurch immer mal wieder ein Testmotiv zu fotografieren, zum Beispiel weißes Kopierpapier aus dem Drucker oder vielleicht sogar eine echte Graukarte ( die gibt es ja wohlmöglich als Weihnachtsgeschenk? ;-) ).
Dann hast Du später in Lightroom (oder ….) eine Referenz für einen ersten Weißabgleich mit der Pipette. Und keine Sorge vor der Software, so nachträglicher Weißabgleich geht einfacher als man denkt. ,-)
Aber dazu auf jeden Fall bitte mit „RAW“ fotografieren..

zum Fotokurs

Fotokurse mit Tom! Striewisch

RAW

Der Dialog zur Wahl der Komprimierung, Dateigröße und Dateiart (Raw und/oder JPEG) an einer Canon DSLR

Tu Dir einen Gefallen und fotografiere auf jeden Fall mit RAW (von mir aus auch mit zusätzlich parallel erzeugtem JPEG, wenn Du da noch unsicher bist).

Das RAW (erst recht mit zusätzlichem JPEG) kostet zwar mehr Speicherplatz, aber zur Not kauf Dir vorher noch eine größere Speicherkarte, die sind mittlerweile echt preiswert. Oder lass Dir eine zu Weihnachten schenken. ;-)

Es wäre jedenfalls blöd, eine teure Kamera zu kaufen und dann wegen der 30,00€ oder 50,00€ für die Speicherkarte an der möglichen Bildqualität zu sparen.

Mit der RAW-Datei kannst Du später nicht nur den Weißabgleich, sondern auch  die Helligkeit und den Kontrast des Bildes sehr weitreichend an Deine(!) Vorstellung anpassen.

Das ist oft nötig, gerade wenn Du beim Fotografieren alles richtig machst. Denn nicht immer ergibt die perfekt Belichtung auch ein perfektes Bild. Im Gegenteil, manchmal benötigt gerade ein perfekt belichtetes Bild noch etwas „Hilfe“. Siehe auch hier in meinem Blog:
Wer richtig belichtet, der braucht keine Bearbeitung! Stimmt das wirklich?

Mit RAW hast Du darüber hinaus auch für den Weißabgleich bessere Optionen. Denn der findet erst statt, wenn aus dem RAW ein JPEG wird. Im JPEG aus der Kamera ist der Weißabgleich fest „eingebrannt“, im RAW hast Du noch alle Optionen zur Verfügung, um Deine Farbstimmung ins Bild zu zeigen.
Nochmals: Nimm das mit dem Weißabgleich nicht zu wissenschaftlich genau, es geht nicht so sehr um die messtechnisch richtige Einstellung, sondern viel mehr um die Stimmung.

Winterliche und erst weihnachtliche Innenaufnahmen dürfen gerne etwas mehr Wärme haben, also kannst Du den Weißabgleich ruhig ein wenig in Richtung warmer Gelb-Orange-Töne verschieben.
Der winterliche Schnee darf dagegen auch etwas bläulicher (kälter) wirken.

(Der Schnee sollte aber auf jeden Fall hell genug sein. Zum Thema Schneefotos gibt es hier in meinem Blog einen eigenen Text: „Deine Schneefotos werden zu dunkel?)

Blitzen

Wenn Du aber tatsächlich blitzen musst (z.B. wegen schneller Bewegungen der Menschen um Dich herum oder auch später, weil es ein Blitzgerät vom Christkind gab), dann übe das *vorher*.
Und zwar am besten (für Deine Nerven und die Deiner „Opfer“) ohne Menschen. Beim Üben ständig angeblitzt zu werden, das kann ganz schön nervig sein. Und jemand, der ungeduldig von einem Bein aufs andere steigt oder mit den Fingern auf den Tisch trommelt, ist keine gute Unterstützung beim Herantasten ans bessere Ergebnis.

Für meine kompakten Abendkurse zum Thema  „Aufsteckblitz“ habe ich deshalb ein „blitzresistentes“ Modell, eine Schaufensterpuppe.
Diese Figuren sind zwar gar nicht so teuer, aber für ein paar private Übungsbilder ist das evtl. doch etwas übertrieben. Deshalb mach Dir doch einfach selber ein „Testmodel“.

Zum Beispiel mit einem Besen, den Du mit der Bürste nach oben an einem Stuhl festbindest. Über die „Schultern“ (die Bürste) legst Du einen Mantel und krönst das Ganze dann mit einem Eimer als Kopfersatz. Voila, ein nahezu menschliches Blitztestmodel. ;-)
Und nun versuche mal ein paar Einstellungen beim Blitzen auszuprobieren. Speziell z.B. die Leistung automatisch oder manuell zu reduzieren.

(Es gibt in diesem Blog noch zwei Texte zum Thema Blitzen von mir, die Dir beim Üben und Ausprobieren weiterhelfen werden.)

1. Tipp zum Blitzen: indirekt

Der erste und zugleich wichtigste Tipp für den Blitzeinsteiger lautet:  Wenn immer möglich, blitze indirekt!
Der Könner kann mit dem direkten Blitz tolle Effekte erzielen, aber zu Anfang macht man sich das Leben damit ziemlich schwer.

Mit den fest eingebauten Blitzten geht das indirekte Blitzen aber meist nicht und selbst wenn es ginge, ist der kleine Blitz oft zu schwach.
Viel besser geht indirektes Blitzen mit einem der typischen Aufsteckblitz. Der muss aber nicht unbedingt teuer vom Originalhersteller sein, ich habe ganz gute Erfahrungen mit Yongnuo-Blitzen(*) (für Canon, Nikon und Sony) und Nissin(*) (für Olympus) gemacht.

Die meisten dieser Aufsteckblitze kann man heutzutage drehen und neigen. So kannst Du (auch bei Hochformatbildern) den Blitz auf eine weiße (besser gesagt: farblich neutrale, das ist das wichtige) Zimmerdecke oder Wand richten. Das Licht kommt dann auf diese Art indirekt und somit quasi aus größerer Entfernung und natürlicher wirkender Richtung (von oberhalb) und es kommt von einer größeren „Leuchtfläche“.

Auf diese Art verhindert oder zumindest milderst Du dann gleich drei typische Probleme, die beim Blitzen auftreten.
Die harten Schlagschatten, die roten Augen und den unschönen Helligkeitsabfall in die Tiefe des Bildes, der vorne für überstrahlte Geister und im Bildhintergrund für schwarze Löcher sorgt.
Die große Leuchtfläche macht die Schatten weicher, und durch die geänderte Lichtrichtung (von oben) fallen die Schatten nach unten. Der Blitz strahlt so auch nicht parallel zur Aufnahmeachse  in die Augen, rote Augen werden dadurch oft gänzlich verschwinden.

Und der Hellligkeitsabfall?
Die unterschiedlichen Abstände einzelner Personen von der Lichtquelle „Blitz an der Kamera“  sind oft sehr stark, das führt zu deutlichen Helligkeitsunterschieden in der Tiefe des Bildes. Denn die Lichtintensität nimmt bei solchen punktförmigen Lichtquellen  im Quadrat der Entfernung ab. Ein Beispiel: Im Vergleich zum einen Meter entfernten Vordergrundmotiv kommt in vier Meter von der Lichtquelle entfernten Hintergrund  nur noch 1/16 des Lichtes an.
Das ist nahezu nichts.

Beim indirekten Blitzen nach schräg oben vorne sind von der nun wirksamen Lichtquelle „Leuchtfläche an der Zimmerdecke“ die Entfernungen drei Meter zu sechs Meter. Die Lichtmenge im Hintergrund ist jetzt im Verhältnis nur noch auf ein Viertel reduziert, also im Verhältnis viermal so stark wie beim direkten Blitz. Ein drastischer Unterschied.
Wichtig: auch indirektes Blitzen vorher unbedingt ausprobieren!

Blitztipp 2: Synchronzeit

Stell die Kamera beim Blitzen ruhig mal auf eine längere Belichtungszeit.
Das geht bei einigen Kameras nur in der manuellen Belichtungseinstellung oder in „AV“.
Der Blitz wird dadurch fast gar nicht beeinflusst, aber das unabhängig vom Blitz in der Szene vorhandene Licht kann sich besser auswirken.

Natürlich steigt so die Verwacklungsgefahr.
Aber der kurz leuchtende Blitz friert die Objekte/Menschen im Vordergrund ein und der durch die weiter geöffnete Blende eh etwas unschärfere Hintergrund kann meist ruhig ein wenig verwackelt sein. Das sieht trotzdem oft besser aus, als wenn er in Schwarz versäuft.
Und wenn im Hintergrund (am besten viele kleine) Lichtquellen sind, können diese dem Bild nochmal einen besonderen Effekt verleihen.

zum Fotokurs

AKTUELL

Der nächste Termin für meinen zweitägigen Grundlagen-Fotokurs (Zeche Zollverein) ist am Wochenende
27.01.24/28.01.24 (Sa./So.)

Spätere Termine sind natürlich auch schon verfügbar.




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Das Blitzen hier detaillierter zu erklären, würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Du kannst die Grundlagen zum Blitzen aber gerne auch in meinem kostenlosen „Fotolehrgang im Internet“ im Kapitel „Zubehör“ nachlesen.
Oder Du kommst (schamlose Eigenwerbung) zu meinem Abendkurs zum Thema „Kompaktblitz“. Da geht es während der ersten Stunde um die Grundlagen beim Blitzen und danach werden wir (besser: Ihr, ich helfe Euch dann) zwei Stunden lang die verschiedenen Einstellungen und Möglichkeiten ausprobieren.

Infos unter https://www.fotoschule-ruhr.de/kompaktblitz.php , vielleicht lasst Du ihn Dir ja auch noch zu Weihnachten schenken. ;-)

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Illustration Kaffeetasse

geschrieben/aktualisiert: / 01. Jan 2023

3 thoughts on “Winter – Fotografieren bei (zu-) wenig Licht

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