Die Kamera ist runtergefallen! Ist sie kaputt?

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Die Kamera ist hingefallen! Und nun?

Es passiert schneller als man glaubt — mal einen Moment nicht aufgepasst und Zack! die Kamera liegt plötzlich auf dem Boden. Dann ist natürlich die Sorge groß, das etwas kaputt ging.
Und auch wenn auf den ersten Blick äußerlich nichts schlimmes zu sehen ist, es bleibt ein ungutes Gefühl. Denn nicht immer sieht man die Beschädigungen auf den ersten Blick.
Man sollte deshalb die Kamera nach so einem (Vor-) Fall gründlich auf einen Sturzschaden überprüfen — nicht nur äußerlich.
Dass sie noch auslöst heißt leider nicht, dass alles in Ordnung ist.

So eine Ãœberprüfung geht natürlich mit den zur Verfügung stehenden „Bordmitteln“ nicht so präzise, wie es eine Kamerawerkstatt oder die Reparaturabteilung des Herstellers testen können. Aber sie  gibt zumindest eine erste Einschätzung des Zustandes der Kamera.

Autofokus

Dass der Autofokus gar nicht mehr funktioniert, merkt man je nach Einstellung der Kamera sofort. Denn viele Kameras blockieren den Auslöser, wenn sie im Bereich der AF-Felder keine korrekte Fokussierung erkennen können.
Für die anderen Fälle wird mit dem weiter hinten aufgeführten Test zur „Planlage“ auch der AF auf seine grundsätzliche Funktion und zumindest annähernd auch auf seine Präzision hin überprüft.

Auch einige nicht sofort sichtbare Fehler sind doch klar erkennbar. Wenn bestimmte Einstellungen sich nicht mehr vornehmen lassen, weil Leiterbahnen gebrochen oder Schalter oder Räder defekt sind, ist das meist sofort erkennbar.

Mit anderen Bereichen der Kameratechnik sieht es etwas schwieriger aus.
Manche Fehler im Bereich Blende / Belichtungszeit zeigen sich nicht sofort, sondern sind nur in bestimmten Einstellungen bemerkbar. Deshalb möchte ich als erstes einen Weg zeigen, um nach einem Sturz evtl. auftretenden Problemen mit „hängenden“ Verschlüssen oder blockierenden Blenden auf die Schliche zu kommen.

Blende und Belichtungszeit

Schauen wir uns dazu Blende und Belichtungszeit an. Zumindest bei aufwendigeren Kameras wie DSLR (Digitale Spiegelreflex)  und DSLM (Spiegellose Systemkameras) können da nach einem Fallschaden Probleme auftreten. Diese Beschädigungen sind je nach Fotosituation nicht immer sofort sichtbar, aber Du kannst die Kamera testen.
Dazu machst Du eine Reihe von Belichtungen, die mit unterschiedlichen Einstellungen zur gleichen Helligkeit führen müssten.

Am sinnvollsten ist es, wenn Du dabei manuell fotografierst. Da Du dann selber Blende und Belichtungszeit einstellst, ist das weitgehend frei von weiteren Einflüssen. (Manuell heißt dann auch „Auto-ISO“ aus!)
Such Dir ein gleichmässig und hell beleuchtetes Motiv und fotografiere es mit möglichst kleiner Blendenöffnung (große Blendenzahl).
Stell die passende Belichtungszeit ein und mach ein erstes Bild.
Für das nächste Bild öffnest Du die Blende um drei Drittelschritte (also eine volle Stufe, gleichbedeutend mit doppelt so viel Licht) und verkürzt die Belichtungszeit um ebenfalls drei Drittelschritte bzw. eine volle Stufe auf die Hälfte. Auslösen.
Doppelt so viel Licht in der halben Zeit sollte ein gleich helles Bild ergeben.

Und so machst Du weiter. Immer wieder plus eine volle Blendstufe und minus eine volle Zeitstufe. Und so fort.

Wenn die größte Blendenöffnung erreicht ist oder eine kürzere Belichtungszeit nicht einzustellen ist, such Dir ein anderes etwas dunkleres Motiv oder wähle eine andere Empfindlichkeit (ISO) um die Reihe mit einer geändertern Startkombination weiter zu führen.
Im Idealfall kannst Du so nach und nach alle Blenden- und Zeitstufen ausprobieren.

Die Bilder der einzelnen Aufnahmereihen sollten keine voneinander abweichenden Helligkeiten aufweisen. Nix ungewöhnliches zu sehen? Glückwunsch!

Hängt der Verschluss?

Falls dann aber doch einzelne Bilder unterschiedlich hell sind, musst Du jetzt überprüfen ob es an der Blende oder der Zeit liegt.

Stell dazu die Werte der abweichenden Kombination ein und mache ein erstes Bild. Dann verändere für jedes weitere Bild die Belichtungszeit und den ISO-Wert im Ausgleich. Bei doppelt so langer Zeit wählst Du einen halb so hohen ISO-Wert, für halb so lange Zeit einen doppelten ISO.
Mach eine Reihe von plus/minus drei Bildern um den Startwert herum.
Wenn die Bilder eine gleiche Helligkeit aufweisen, scheint es nicht an der Belichtungszeit zu liegen.

Klebt die Blende?

Dann musst Du jetzt ganz ähnlich die Blende überprüfen.
Stell wieder die gleichen Startwerte ein und verändere jetzt Blende und ISO im Ausgleich. Wenn Du die Blende um drei Drittelschritte schliesst, musst Du den ISO-Wert verdoppeln. Und umgekehrt.

Wenn etwas kaputt ist, ist das ein Fall für eine Fachwerkstatt. Meist geht es schneller, wenn Du mit der Werkstatt des Herstellers direkt Kontakt aufnimmst. Der Weg über den Händler dauert dagegen manchmal etwas länger.
Ich drück Dir jedenfalls die Daumen, das alles in Ordnung ist!

Und der Isowert? Was ist, wenn er durch den Fallschaden nicht mehr stimmt?
Schäden nach einem Sturz sind in dem Bereich eher selten, denn am ISO-Wert sind keine mechanischen Bausteile beteiligt. Es ist unwahrscheinlich, dass der Prozessor der Kamera so beschädigt wird, dass genau der ISO-Wert leidet. Eher dürfte dann die Kamera komplett den Dienst verweigern.

Objektivfehler

Sprünge in den Linsen des Objektivs sind meist leicht zu finden, man sieht sie, wenn man mit bloßem Auge hindurch sieht. Aber auch wenn da scheinbar alles in Ordnung ist, kann es Probleme nach einem Sturz geben.
Ein unangenehmer Fehler, der oft erst später erkannt wird, ist der Verlust der Parallelität von Objektiv und Sensor.

Diese parallele Ausrichtung ist sehr wichtig, denn davon ist die Lage der Schärfeebene im Motiv abhängig. Eine Mauer, auf die man im rechten Winkel fotografiert, soll ja nicht nur in der Mitte scharf abgebildet werden.
Wenn die (ob mit Autofokus oder manuell) eingestellte Entfernung wie ein Halbkreis um das Objektiv verlaufen würde, wäre aber genau das der Fall, die Steine in den Bildecken wären ja weiter entfernt und damit unscharf.
Deshalb werden Objektive so konstruiert, dass die Schärfe wie eine Fläche verläuft, auf die Kamera in der Bildmitte im rechten Winkel schaut. Dadurch geht bei einer geraden Mauer, auf die man im rechten Winkel mit der Kamera schaut, die Schärfe bis zu den Ziegeln in den Ecken. (Zumindest ist das bei guten Objektiven so.)

Die Schärfeebene muss dazu aber nicht nur eine flache Ebene sein, sondern sie sollte auch parallel zum Kameragehäuse (besser: zum Sensor) verlaufen.
Das ist aber nur der Fall, wenn auch die Gläser des Objektivs parallel zur Ebene des Sensors verlaufen. Nur dann liegt auch die Ebene der Schärfe im Bild parallel zu diesen beiden Ebenen.

Unerwünschter Tilt

Durch einen Fallschaden kann nun das Kameragehäuse am Bajonett für das Wechselobjektiv oder das Objektiv selber mechanisch so verformt werden, dass die Parallelität zwischen Linsen und Sensor nicht mehr gegeben ist.
In der Fotografie gibt es Bereiche, zum Beispiel in der Studiofotografie, wo ein solche Nichtparallelität bewusst gesteuert eingesetzt wird. Mit einem solchen „Tilt“ kann man dann gezielt die Schärfe anders legen. (Mehr zum Thema Tilt in meinem kostenlosen „Fotolehrgang im Internet“ .)
Aber so, nach einem Fallschaden und vor allem ohne Möglichkeit das zu steuern, ist der Tilt in der Regel nicht erwünscht.

Da möchte man sicher sein, dass die Gläser des Objektivs und der der Sensor auch nach einem Sturz weiterhin parallel zueinander sind.

Parallelität überprüfen

Auch die Parallelität kannst Du zumindest grob selber überprüfen.
Hänge eine Doppelseite einer Tageszeitung möglichst flach an eine Wand und positioniere die Kamera in einer Entfernung, dass die fokussierte Zeitung bis an den Bildrand geht. Bei einem Zoom nimm zuerst eine mittlere Brennweite, überprüfe aber danach auch die beiden Extremeinstellungen.

Kamera und Zeitung parallel zueinander ausrichten

Jetzt wird es etwas schwieriger. Die Aufnahmeachse der Kamera sollte im rechten Winkel auf das Motiv treffen.
Das geht am besten, wenn die Kamera auf einem Stativ ist (zur Not im Freundeskreis ausleihen). Dann positionierst Du die Kamera mittig vor der Zeitungsseite.

Zum genauen Ausrichten brauchst Du nun noch einen Spiegel und am besten einen Helfer. Der soll den Spiegelrücken flach auf die Mitte der Zeitung drücken.

Wenn Du jetzt im Sucher / auf dem Display der Kamera in der Mitte des Spiegelbildes das Objektiv der Kamera siehst, blickst Du im rechten Winkel auf den Spiegel und damit auch auf die Zeitung.

Jetzt musst Du noch fokussieren und dann eine Aufnahme mit möglichst kleiner Schärfentiefe, also weit geöffneter Blende (kleine Blendenzahl) machen. Die Zeit stellst Du manuell ein oder lässt es die Automatik machen.


2 thoughts on “Die Kamera ist runtergefallen! Ist sie kaputt?

  1. Christof Oberholz

    Hallo Tom, ein wirklich hilfreicher Artikel! Ich weiß, du willst keine Werbung machen, aber lohnt sich eine Versicherung? Welche? Habe eine Spny Alpha 6500 und eine Leica Q.
    Lg Christof

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    1. Tom! Beitragsautor

      Hallo Christof, es freut mich, wenn Dir der Artikel gefällt. Eine Versicherung für den „Fotokram“ kann ich Dir aber leider nicht empfehlen, weil ich selber keine habe. Ich fand es immer sinnvoll, in ertser Linie nur Risiken zu versichern, die wirklich bedrohlich (Existenz bedrohend) sind. Dazu zähle ich den Verlust meiner Ausrüstung nicht.
      Also sorry, keine Empfehlung…
      Tom!

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