Architekturfotografie muss nicht teuer sein (1)

Gestaltung mit Abstand und Brennweite in der Architekturfotografie. Ich habe mich bemüht, den Abstand zwischen den Säulen in beiden Bildern gleich groß zu halten.
Vor ein paar Wochen habe ich in der Lokalpresse einen Artikel mit Tipps zur Architekturfotografie gelesen, der wohl direkt von der „dpa“ kam und deshalb vermutlich (als preiswerter saisonaler Lückenfüller ;-) ) auch in anderen Zeitungen aufgetaucht sein dürfte.
Leider sind da aber einige Dinge aus meiner Sicht eher missverständlich und zum Teil auch falsch dargestellt.
„Wir brauchen weitwinklige Objektive, um das Gebäude ganz drauf zu kriegen. (…) Da sind sehr kurze Brennweiten nötig, zum Beispiel 20mm.“
Das hört sich erst einmal logisch an, ist aber doch nur zum Teil richtig. Tatsächlich braucht man in der Architekturfotografie häufiger die großen (weiten) Bildwinkel, also kurze Brennweiten, einfach, weil man machmal nicht weit genug nach hinten gehen kann.
Generell sollte man die Brennweite aber eher nach der gewünschten räumlichen Wirkung wählen, die erst durch die passend gewählte Kombination von Aufnahmeabstand und Brennweite (eigentlich besser Bildwinkel) entsteht. Beides muss in der gemeinsamen Wirkung berücksichtigt werden.
In dem Beispiel oben habe ich mich bemüht, den Abstand zwischen den Säulen durch Verwendung unterschiedlicher Brennweiten trotz unterschiedlicher Aufnahmeabstände annähernd gleich groß zu halten. Das obere der beiden Fotos wurde aus größerer Distanz mit einer längeren Brennweite (80mm kleinbildäquivalent) aufgenommen, das untere dagegen aus kürzerer Distanz mit dem größeren Bildwinkel einer kleineren Brennweite (24mm kleinbildäquivalent) fotografiert.
In beiden Fällen sind die Säulen gleich weit voneinander entfernt, aber die Bilder haben ganz unterschiedliche räumliche Wirkungen.
Kurze Abstände mit Weitwinkelobjektiv (unten) betonen die Räumlichkeit, große Abstände mit längeren Brennweiten (oben) dagegen scheinen den Raum zu verdichten. Und wie fast überall in der Fotografie kann auch in der Architekturfotografie je nach Bildidee beides richtig sein.
Eine generelle Empfehlung einer Brennweite, wie in dem Pressetext, ist also nicht sinnvoll.
Außerdem können Objektive trotz fester Brennweitenangaben (im Text wird von 20mm gesprochen/-schrieben) je nach Sensor auch noch ganz unterschiedliche Wirkungen haben. Wie dass?
20mm Brennweite?
Braucht man für Architekturfotos wirklich 20mm? Und was heißt das überhaupt?
Vermutlich wurde in dem Zeitungstext eine Vollformatkamera (Link) vorausgesetzt, auf deren (großen) Sensor ein 20mm Objektiv tatsächlich einen wirklich großen Bildwinkel wiedergeben kann.
In diesem Zusammenhang hat ein 20mm-Objektiv eine ziemlich kurze Brennweite.
Doch wie sieht es mit den Sensoren der meisten DSLRs und Systemkameras aus. Die sind oft um den Faktor 1,5 oder mehr kleiner als der Vollformatsensor (sie haben einen „APSC„-Sensor). An einer solchen Kamera kann auf dem kleineren Sensor nur noch ein Ausschnitt des Bildkreises und damit des Bildwinkels des 20mm-Objektives aufgezeichnet werden.
Das Objektiv ergibt zusammen mit dem Sensor an diesen von Amateuren (und Profis) gerne eingesetzten Kameras also einen kleineren wirksamen Bildwinkel, aus dem starken Weitwinkel wird trotzdem „nur“ ein eher gemässigter Weitwinkel oder gar fast eine Normalbrennweite.
Bei den nicht-Vollformat DSLRs und Systemkameras können schon die meisten Kitobjektive (Link) auf eine Brennweite von 20mm und kürzer eingestellt werden. Es wäre also falsch, in dem Zusammenhang von einer besonders kurzen Brennweite zu sprechen.
Um dort, an einer „Cropkamera“ einen Bildwinkel zu erhalten wie er von 20mm an Vollformat (Kleinbild) erzeugt wird, würde man ein deutlich „kürzeres“ Objektiv benötigen, ca.14mm wären dazu nötig (14 x 1,5= 21).
Meine Olympus mit MFT-Sensor(*) hat im Vergleich zu einer typischen „Vollformatkamera“(*) sogar einen um den Faktor zwei kleineren Sensor. Da wären 10mm(*) für den gleichen Bildwinkel wie bei 20mm(*) an Vollformat erforderlich. Das 20er wäre in dem Fall eher schon „Normalbrennweite“.
Aber muss man so ein starkes Weitwinkel überhaupt kaufen?
Ich liebe ja die gestalterische Wirkung starker Weitwinkel, deshalb würde ich jetzt ganz schnell und laut „Ja!“ rufen. Doch mancher möchte diesen starken räumlichen Effekt nur selten oder nie nutzen, dann wäre so ein Objektiv eigentlich völlig unnötig.
Teil zwei dieses Beitrags habe ich mittlerweile auch geschrieben, hier kannst Du ihn lesen..
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Und wenn Du meinst, ich hätte das nicht verdient, dann lässt Du es eben. ;-)