1914 – Welt in Farbe

Dreifarbenfotografie (nicht aus der Ausstellung)

Dreifarbenfotografie (nicht aus der Ausstellung)

(Aktualisiert: Die Ausstellung ist bis 26.04.2015 im Museum Schloß Moyland zu sehen.)
Im rheinischen Landesmuseum endet heute eine Ausstellung zur frühen Farbfotografie. Gezeigt werden Aufnahmen die vor 1914 entstanden.
Viele der Bilder sind Teil einer Art „Bestandsaufnahme“ der Welt, die Fotografen versuchten (zum Teil mit dem ausdrücklichen Wunsch und/oder Auftrag nach „Völkerverständigung“) Nahes und Fernes im menschlichen Leben und in der Natur und Landschaft darzustellen. (Hier kann man durchaus Parallelen zur Ausstellung „Family Of Man“ aus den 50iger Jahren ziehen.)

Glücklicherweise habe ich es kurz vor Schluss doch noch geschafft, nach Bonn zu kommen. Für mich war es bei meinem Besuch primär die Wirkung der Bilder, die mich (und meine technisch eher uninteressierte charmante Begleiterin) begeisterten.

Die Bilder und Ihre Wirkung

Diese Episode der menschlichen Geschichte, die Zeit kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges, kennen wir ja in erster Linie nur aus Schwarzweißbildern. Alles ist in diesen Bildern mehr oder weniger grau in grau.
Hier in der Ausstellung ist diese Zeitphase dagegen in Farbe abgebildet. Durch die zum Teil recht bunten Farben scheint der zeitliche Abstand speziell zu den abgebildeten Personen und Szenen des Alltagslebens viel kleiner zu sein.  Die Farbe macht mir in diesen Fotografien aus einer längst vergangenen Zeit den Bildinhalt vertrauter, er erscheint mir für mein Leben relevanter.
Damit erfüllt sich auch heute noch der völkerverständigende Anspruch, aus dem heraus viele der Bilder entstanden. Nur jetzt nicht mehr bezogen auf die räumliche Trennung zwischen den Menschen verschiedener Ländern und Kontinente, sonder jetzt zwischen den „Bewohnern“ verschiedener Zeitalter.
(Leider kann ich hier keine der Bilder zeigen, das Nutzungsrecht dazu läuft nur noch bis heute. Aber über den Link weiter unten sind einige Bilder sichtbar.)

Die Aufnahmetechnik

Für mich war natürlich auch der technische Hintergrund interessant. Die Bilder wurden zum Teil mit fotografischen Verfahren hergestellt, die interessanterweise den heutigen digitalen Aufnahmeweisen sehr nahe kommen.
Die Ursache der Probleme der farbigen Fotografie damals (und eben auch heute) liegt darin, dass das damalige (und heutige digitale) Aufnahmeverfahren nur Helligkeiten unterscheiden konnte. (Zum Glück war das Material aber schon panchromatisch, konnte also im Gegensatz zum orthochromatischen Film die Helligkeiten aller Farben mehr oder weniger gleichmäßig erkennen.)
Um trotz nur schwarzweißen Aufnahmematerials farbige Bilder zu erhalten, musste (muss) man etwas trickreicher vorgehen. Einige der Bilder in der Ausstellung entstanden aus drei Belichtungen, die (meist nacheinander) durch drei unterschiedliche Farbfilter aufgenommen wurden.  Jedes der drei so entstandenen Schwarzweißbilder repräsentiert den Anteil einer Farbe am Motiv und aus den drei Einzelbildern kann man dann ein farbiges Bild mit den drei Grundfarben und allen Mischfarben realisieren. Da drei vollwertige Einzelbilder die Ausgangsbasis bilden, ist die erreichte Qualität derer Bilder recht gut bis umwerfend. Aber durch den zeitlichen Versatz zwischen den Aufnahmen kann es durch bewegte Motivdetails zu farbigen Säumen (zum Beispiel an ziehenden Wolken) kommen.
Ein anderes Verfahren ist dem heute in der Digitalfotografie eingesetzten ähnlicher. Man rasterte das Bild bei der Aufnahme mit verschiedenen Verfahren und belichtet die entsprechenden Bildteile mit durch Filter getrennten Farben. Ganz ähnlich wie der Bayerpattern an heutigen Aufnahmesensoren einzelne Pixel mit unterschiedlicher Farbinformation versorgt.
Heute kann man aber zusätzlich die Information benachbarter Bildbereiche (Pixel) zur Berechnung der Farben nutzen und so das Aufnahmeraster mehr oder weniger verschwinden lassen („Demosaicing“), das ging damals noch nicht. Und so erkaufte man sich den Vorteil, auch bewegte Motive fotografieren zu können, mit einer schlechteren Bildqualität.
Diese technischen Zusammenhänge werden im Rahmen der Ausstellung sehr anschaulich dargestellt, man kann sogar interaktiv ein Dreifarbenbild von sich selber aufnehmen und am Museumsshop als Ausdruck erwerben.

Wer heute noch etwas Zeit hat (zwei bis drei Stunden sollte man einplanen) und in erreichbarer Nähe ist: unbedingt besuchen!

(Infos zur Ausstellung:
http://www.lvr.de/de/nav_main/kultur/berdasdezernat_1/1914/ausstellungen/bonn_2.html )

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