Zur Ausstellung ‚Timm Rautert und die Leben der Fotografie‘
Manchmal muss man auch mal Glück haben!
Ich habe heute noch schnell die Chance genutzt und nach Monaten endlich mal wieder eine Ausstellung besucht. Mein Ziel war die im Museum Folkwang seit Ende Februar gehängte  Fotoausstellung „Timm Rautert und die Leben der Fotografie“.
Als ich eigentlich schon „durch“ war, hatte ich anscheinend so eine Ahnung. Ich bin noch einmal zum Start der Ausstellung zurück gegangen.
Dort hörte ich eine Stimme, blickt um die Ecke und sah den Fotografen höchstpersönlich, der für eine Fernsehaufzeichnung (Westart auf WDR vermutlich) eine Art Privatführung machte.
Da konnte ich mich dann für einige Zeit anschliessen und den Erläuterungen aus erster Hand lauschen. Großartig!
Allgemeines
Timm Rautert ist mittlerweile 80 Jahre alt (und wirkt 20 Jahre jünger, wie ich heute erleben durfte).
Er hat an der Folkwangschule in Essen unter dem legendären Prof. Steinert studiert.
[Einige seiner Studienarbeiten sind ausgestellt, darunter auch fotografische Reproduktionen einer Münze in starker Vergrößerung bis hinzu zehnfachen Größe. Das war wohl eine klassische Aufgabe von Prof. Steinert für sein Studenten.
Auf die Frage der Redakteurin(?), was er bei der Aufgabe gelernt habe schwieg Rautert erst und sagte dann sinngemäß, daß er gelernt habe, daß Fotografieren sehr anstrengend sein kann. ;-) ]
Bildjournalist
Er arbeitet als Bildjournalist für das ZEITmagazin, für Geo und andere.
Stellvertretend für dei journalistischen Werke stehen seine beeindruckenden Dokumentationen über die Amish und Huterer in den USA/Kanada. Beide Arbeiten sind in der Ausstellung zu sehen.
Ein anderes wichtiges Thema seiner dokumentarischen Fotografie ist die Welt der Arbeit. Spannend ist hier der Vergleich zweier Fotoserien aus der Porsche-Produktion, die mehrere Jahrzehnte auseinander liegen.
Bildanalytische Fotografie
Natürlich arbeitet er auch an eigenen persönlichen Themen.
Schon während seines Studiums beschäftigte er sich analytisch mit der Fotografie als Medium, er nannte diese Auseinandersetzung „Bildanalytische Fotografie„.
In diesem Rahmen näherte er sich auf sehr unterschiedliche Weisen dem „Wesen“ der Fotografie. Zum Teil waren es Experimente in der Dunkelkammer, zum Teil Bilderreihen, die zum Beispiel aus unterschiedlichen Standpunkten dasselbe Motiv erfassend.
Aus Collagen und Montagen gehörten dazu.
Um hinter den Grund für die besondere Wirkung einzelner Bilder, das ikonische dieser Fotografien zu kommen, kombinierte er sie mit Bildern, die er unmittelbar davor und danach aufgenommen hatte — also den Nachbarbildern auf dem Negativstreifen.
Zum Teil wurden diese Bilder gemeinsam übereinander belichtet, zum Teil zerschnitt er aber auch die Negative um sie dann neu gemischt zu arrangieren und gemeinsam zu vergrößern.
Daraus entstand die Serie „Der zweite Blick„.
Die bildanalytische Auseinandersetzung fand 1974 ihr Ende, aber auch an späteren Werken sieht man immer wieder die Frage nach dem Wesen und Wirken der Fotografie (das einzelne Bild und das Medium sind hier beide gemeint).
Portraits
Nicht vergessen darf ich die Portraits, darunter viele Künstlerportraits. Zum Teil sind diese auch in in den Ateliers bei der Arbeit entstanden, zum Teil an anderen Orten, das von Andy Warhol zum Beispiel in einem Aufzug. Besonders beeindruckt hat mich das Portrait von Michael Schmidt. Was für ein Blick!
Das dieser große deutsche Fotograf (der zwar nicht aus Essen stammt, aber immerhin hier studiert hat und lebt) im Museum Folkwang erst mit 80 Jahren gewürdigt wurde, erscheint auf den ersten Blick fast unglaublich.
Aber die Lokalpresse berichtet entschuldigend, daß er bereits während des Studiums seine Lebensgefährtin Ute Eskildsen kennenlernte, die sich später als „Foto-Chefin“ des Folkwang Museum (das war sie von 1979-2012) stets weigerte, ihrem Mann eine Ausstellung zu widmen. Es könnte ja ein „Geschmäckle“ entstehen.
Aber jetzt! Und besser spät als nie!
Westart
Das oben erwähnte Video ist mittlerweile online.  Timm Rautert zum 80.: Retrospektive des Fotografen im Museum Folkwang
Und wer ganz genau hinsieht, kann mich ein zwei Sekunden lang in fotografischer Hintergrundunschärfe sehen. ;-)
Besuchen!
Ich gebe definitiv eine Besuchsempfehlung, gerade auch weil die Themen in der Ausstellung sehr breit gestreut sind.
Leider wird es mit dem Besuchen aber etwas schwierig, denn die Museen schließen am Montag 29.03.2021  ja coronabedingt wieder für einige Wochen.
Nun schliessen sie wohl doch nicht, mit einem aktuelle Corona Schnelltest ist ein Besuch wohl weiter möglich! Also auf!
(Zeitfenster/Tickets buchen: https://museum-folkwang.ticketfritz.de )
Ach ja, das sollte ich nicht vergessen: im „Keller“ der fotografischen Sammlung hängen noch weitere Fotoausstellungen, zum Teil Arbeiten von aktuellen Studenten der Folkwangschule.
Und oben ist ja auch die Kippenberger-Ausstellung mit der großen Präsentation von „The Happy End of Franz Kafkas ‚Amerika‘„.
Es gibt also einige gute Gründe, ins Museum zu gehen. (Und Zeit mitzunehmen.)