Woher kommen die krummen Blendenzahlen? Und warum sind sie „falsch herum“?
Viele Anfänger (und auch einige Fortgeschrittene) haben ein etwas ungutes Gefühl, wenn es um die Blendenzahlen geht. Man weiß zwar, zumindest so ungefähr, was sie bedeuten und bewirken, aber wo das genau herkommt?
Ich möchte versuchen, ein wenig Licht in die Dämmerung zu bringen und zu erklären, warum diese krummen Blendenzahlen eigentlich ein Vorteil sind. (Und woran es liegt, dass bei kleineren Zahlen mehr Licht durch das Objektiv kommt.)
Begriffschaos
Große Blende, kleine Blende, das sind Begriffe, die schnell in die Irre führen. Und das nicht nur, wenn man sich mit anderen austauscht und die Begriffe unterschiedlich verstanden werden —nein, man kann auch sich selber beim Nachdenken über die Zusammenhänge verwirren.
Zumindest ist mir das früher gelungen. ;-)
Meiner Erfahrung nach meinen die meisten Fotofreunde mit „großer Blende“ eine große Blendenöffnung. Die Fläche der eigentlichen Blende ist dann aber klein. Die eigentliche Blende wächst, wenn man die Öffnung kleiner macht.
Man kann mit großer Blende also auch durchaus etwas anderes verstehen.
Und das wird durch die Zahlen nicht einfacher, denn Blende 2 ist eigentlich 1:2, also 1/2 und Blende 22 ist 1:22 also 1/22. Ist nun 2 wirklich kleiner als 22?
Wenn man die Hintergründe versteht, werden komplizierte erscheinende Zusammenhänge oft klarer.
Schauen wir uns das mit den Begriffen rund um die Blende deshalb mal etwas genauer an.
Blendenöffnung …
Dass die Größe der Blendenöffnung eine wichtige Rolle bei der Belichtung spielt, dürfte vermutlich jedem klar sein. Durch eine größere Öffnung kommt mehr Licht auf den Sensor, dadurch ist es möglich, in kürzerer (Belichtungs-) Zeit ausreichend zu belichten und mit niedrigeren (und so weniger stark rauschenden) ISO-Werten eine gute, also ausreichende Belichtung zu erreichen.
Da die Größe der Blendenöffnung veränderlich ist, muss sie, um die für eine gute Belichtung notwenige Blende auszuwählen zu können, gekennzeichnet werden. Das geschieht als Zahlenwert.
Man könnte dazu naheliegenderweise den Durchmesser der Öffnung oder den Flächeninhalt der Öffnung angeben. Aber das würde nicht reichen, um die Menge an Licht zu bestimmen, die auf den Sensor bzw. Film trifft.
… und Brennweite
Neben der Größe der Blendenöffnung spielt auch die Brennweite eine Rolle. Auch sie beeinflusst die Menge an Licht, die auf den Sensor fällt und damit die Auswirkung auf die Belichtung.
Warum?
Fangen wir am Anfang an. Licht von einer Lichtquelle (die Sonne) fällt auf das Motiv und wird von diesem (zumindest in Teilen) reflektiert. Von nicht spiegelnden Motivdetails wird das Licht dabei mehr oder weniger starke gestreut.
Ein Teil des reflektierten Lichtes trifft auf das Frontglas des Objektives und wird von diesem auf den Sensor projiziert. Die auf das Frontglas treffende Lichtmenge wird dabei vom Objektiv nicht beeinflusst, das Glas führt das Licht durch das Objektiv. (Mit kleinen Verlusten, siehe unten)
Wenn man mit einer kurzen Brennweite (Weitwinkel, “rausgezoomt”) fotografiert, erfasst man einen großen Bereich des vor der Kamera liegenden Motivs. Die Details dieses Motivs werden, damit alles auf den Sensor passt, durch das Objektiv zwangsweise relativ klein auf den Sensor projiziert. Ein Bildbereich im Hintergrund wird so auch klein auf dem Sensor (und später im Bild) zu sehen sein.
Wenn man in der gleichen Situation (gleiches Motiv, gleiche Beleuchtung, gleicher Standort) eine längere Brennweite (Tele, “reingezoomt”) verwendet, so trifft von diesem Motivbereich unverändert die gleiche Lichtmenge auf das Frontglas des Objektivs.
Durch die längere Brennweite wird alles (was noch in den Ausschnitt passt), also auch das Hintergrunddetail, nun aber deutlich größer abgebildet.
Die Intensität des Lichtes, das von diesem Hintergrunddetail zum Frontglas des Objektivs kommt, ist nur von der Lichtquelle und dem Reflexionsverhalten des Motivs abhängig ist. Das Objektiv hat keinen Einfluss darauf. Die Lichtmenge hat bei der kurzen wie bei der längeren Brennweite die gleichen Intensität. Sie wird vom Objektiv nur anders verteilt.
Licht, das unterschiedlich verteilt wird, kennen die meisten von uns vermutlich vom (veränderlichen) Lichtkegel einer Taschelnampe. Auch da ist das Leuchtmittel (die “Glühbirne”) immer gleich hell. Wenn damit aber nicht nur ein Spot, sondern eine größere Fläche ausgeleuchtet werden soll, muss das Licht auf diese größere Fläche verteilt werden. Der Lichtkegel wird dadurch zwar größer, aber schwächer.
Bei der längeren Brennweite ist das ganz ähnlich. Ein Motivausschnitt soll größer abgebildet werden. Das Licht, das von diesem Bereich des Motivs kommt, muss auf dem Sensor eine größere Fläche ausleuchten (belichten).
Das Licht wird auf eine größere Zahl von Sensorpixeln (oder auf eine größere Filmfläche) verteilt und auf jeden einzelnen Sensorpixel fällt entsprechend weniger Licht.
Bei sonst unveränderten Voraussetzungen — in Bezug auf Motivhelligkeit, Belichtungszeit, Empfindlichkeit(ISO) Frontglasgröße — würde das Motiv im Bild zwar größer, aber dunkler wiedergeben
Für eine gleich helle Wiedergabe des Motivs im Bild müsste also länger belichtet werden (oder eine höhere ISO Zahl verwendet werden oder die Beleuchtung intensiviert werden).
Das Objektiv nimmt nicht nur über seine Blendenöffnung Einfluss auf die Intensität der Belichtung, sondern auch über seine Brennweite.
Das Verhältnis
Es würde also zur Messung der Belichtung nicht ausreichen, anzugeben, dass der Blendendurchmesser 3,5 cm beträgt. Nur wenn auch die Brennweite bekannt ist, kann man die Belichtung zwischen unterschiedlichen Objektiven vergleichen.
Es wäre aber eine umständliche Rechnerei, wenn man vergleichen möchte, welche Belichtungszeit bei 3,5cm Durchmesser und 11,5cm Brennweite zur gleichen Helligkeit auf dem Film/Sensor wie bei 45mm und 135mm führen würde.
Um es zu vereinfachen, hat man diese Rechnung auf eine Angabe reduziert, auf das Verhältnis von Blendendurchmesser zu Brennweite. Man gibt an, wie oft der Blendendurchmesser auf die Brennweite passt.
Beträgt die Brennweite 10,5cm und ist der Blendendurchmesser 3,5cm, dann ist der Blendenwert 3 (10,5:3,5). Der gleiche Wert ergibt sich auch bei 135mm und 45mm Durchmesser.
Die Werte werden an manchen Stellen auch so ausgeschrieben, so wird die Angabe der “Lichtstärke” eines Objektivs, also der größtmöglichen Blendenöffnung, oft als “1:x” geschrieben. 1:3.5 bedeutet, dass sich bei ganz geöffneter Blende der Blendenwert 3.5 ergibt. (Der Punkt kommt aus der internationalen Schreibweise, dort steht er für unser Komma.) Dieser Wert (zusammen mit der Brennweite) steht oft rund um das Frontglas oder auf einem Streifen rund um das Objektiv.
Sonderfall Zoom
Ein Sonderfall sind viele Zoomobjektive. Durch die veränderliche Brennweite bleibt bei vielen Zooms die größtmögliche Blendenzahl (Lichtstärke) nicht konstant. Deshalb wird an diesen Objektiven nicht nur die Brennweite als Bereich angegeben, sondern auch die größtmögliche Blendenöffnung. Für die Brennweite und die Lichtstärke steht dann z.B. 18-55 1:3.5-5.6 Bei 18mm Brennweite hat das entsprechende Objektiv eine größtmögliche Blendenöffnung von 3.5 — bei 55mm ist es nur noch 5.6
Kleine Zahl, große Zahl
Auf die gleiche Art und Weise wie die Lichtstärke werden auch die Blendenzahlen berechnet, allerdings wird hier nicht das komplette Verhältnis, der komplette Bruch angegeben.
Wenn man sich also den Bruch ansieht, wird den meisten klar, dass 1/8 kleiner ist als 1/2.
Wenn Mathe zulange her ist, reicht es manchmal, an Kuchen zu denken. ;-)
Man verwendet der Einfachheit halber aber nur den Nenner, denn der Zähler des Bruchs bleibt ja immer bei 1.
So schreibt man statt Blende 1:8 nur Blende 8.
Bei einer kleine Blendenzahl gelangt mehr Licht auf Sensor/Film als bei einer großen Zahl. Bei Blende 2 ist der Durchmesser der Blendenöffnung so groß, dass er nur zweimal auf die Länge der Brennweite passt.
Bei Blende 4 ist er viel kleiner und passt gleich viermal auf die Länge der Brennweite. Und wenn der Durchmesser der Öffnung kleiner ist, ist auch die Fläche der Öffnung, die das Licht auf den Sensor/Film lässt, viel kleiner und lässt weniger Licht durch.
Deshalb bedeutet eine kleinere Blendenzahl eine größeren Öffnung und damit mehr Licht.
Krumme Zahlen
Die krummen Zahlen (bei denen das Komma als Punkt geschrieben wird) liegen in der Geometrie begründet. Wenn man die Lichtmenge und dazu den Flächeninhalt der Blendenöffnung 2 halbieren möchte, verringert sich natürlich auch der Durchmesser. Und bei diesen Berechnungen spielt dann die Quadratwurzel eine Rolle.
Nerdwissen
Wer in Geometrie aufgepasst hat (und nicht, wie ich, Papierkügelchen zu den Mädchen geschnippt hat) der wird sich vielleicht noch daran erinnern, dass der Kreisdurchmesser das Doppelte des Radius ist und der Radius bei Flächenhalbierung irgendwie mit π und der Quadratwurzel berechnet wird. Genau ist der Radius die Quadratwurzel aus der durch π geteilten Kreisfläche. (Vielleicht lerne ich auch nochmal in HTML auch Formeln zu schreiben….)
Die Quadratwurzel bringt den Faktor 1,4 ins Spiel, so dass aus der Blende “2” erst die Blende “2,8” wird, dann die „4“ und dann „5,6“ und dann …
Blendenwerte
Um die Handhabung dieser Zahlen zu vereinfachen, hat man eine sinnvolle Reihe von Werten entwickelt, die auf dem Wert “1” basieren. (Dann sind Brennweite und Blendendurchmesser identisch.) Jeder Schritt weg von der 1 führt dann zu einer Verdopplung bzw. zu einer Halbierung der Lichtmenge.
Dies ist die Reihe der international schon seit vielen Jahren gebräuchlichen Blendenstufen (hier ein Ausschnitt)
.. . 0.7 – 1.0 – 1.4 – 2.0 – 2.8 – 4 – 5.6 – 8 – 11 – 16 – 22 …
An älteren Kameras waren diese Stufen, zwischen denen sich die Lichtmenge halbiert bzw. verdoppelt, mit einer Rastung versehen. (An manchen gab es auch eine Rastung auf halben Stufen.)
Damit war es möglich, durch Mitzählen der Klicks die Blende auf den Wunschwert einzustellen, ohne auf den Blendenring am Objektiv schauen zu müssen. Da an vielen Kameras die Blendenwerte nicht im Sucher eingeblendet werden konnten, war das ein wichtiger Vorteil für den Fotografen. Er musste deshalb die Kamera nicht vom Auge nehmen, um die Blende auszuwählen.
Mit Einführung der Automatiken wanderte die Steuerung der Blende über die Jahre vom Objektiv weg zu einem Rad an der Kamera. Dieses Rad steuert die Blende in festen Schritten, es gibt also nur “Klick” oder “Klick”. Stufenlose Zwischenwerte, wie man sie am Objektiv zwischen den Rastungen des Blendenrings wählen konnte, sind damit nicht möglich.
Um trotzdem eine feiner abgestufte Helligkeitssteuerung zu ermöglichen, unterteilte man die Blendenreihe in Drittelschritte. Man muss deshalb heutzutage an fast allen Kameras mit dem Blendenrad drei Klicks weiter gehen, um eine volle Blendenstufe, eine Verdopplung oder Halbierung der Lichtmenge, auszuwählen. (Vorsicht, manche Kameras/Objektve kann man auf halbstufige Blendensteuerung umstellen.)
Übersichtlich?
0.7 . . 1.0 . . 1.4 . . 2.0 . . 2.8 . . 4 . . 5.6 . . 8 . . 11 . . 16 . . 22
Das ist ja noch einigermassen gut ablesbar. Leider ist man aber nicht dem Vorbild vieler Anzeigen an Messgeräten gefolgt und hat die Zwischenwirte nicht mit Markierungen gekennzeichnet. Statt dessen bekam jeder Schritt seinen eigene Zahlenwert, die Reihe lautet nun:
… 1.4 1.6 1.8 2 2.2 2.5 2.8 3.2 3.5 4 4.5 5.0 5.6 6.3 7.1 8 9 10 11 13 14 16 18 20 22 …
Das ist doch gleich viel übersichtlicher und einprägsamer als mit einfachen Markierungen zwischen den vollen Werten, oder? Ich stell mir gerade einen Zollstock vor, der bei jedem Millimeterstrich einen Zahlenwert stehen hat. ;-)
Hier kann man sehr schön sehen, wie anschaulich und verständlich selbst eine Anzeige in 1/10tel Stufen sein kann, wenn man sich ein paar Gedanken zum “User-Interface” macht und auf zuviele Zahlenwerte verzichtet.
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Und jetzt weiter im Thema....
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T-Wert
Die Blendenwerte in der Fotografie werden machmal noch mit einem führenden kleinen “f” ergänzt. Das steht für “focal ratio” oder auch einfach “f-Stop”. Bei machen Objektiven ist das aber anders, dort ist ein “t” für den t-Wert zu finden.
Mit diesem werde neben Brennweite und Blendendurchmesser auch die “Durchlässigkeit” (Transmission) des Glases berücksichtigt.
Denn natürlich hat auch die Art und Dicke des Glases im Objektiv einen Einfluß auf die Lichtmenge, die zum Sensor/Film kommt. Doch in der Fotografie sind die Auswirkungen dieses Unterschiedes meist so gering, dass man ihn nicht berücksichtigt.
Beim bewegten Bild (Video/Films) sieht das anders aus, da sind fast immer auch kleine Helligkeitsunterschiede beim Wechsel von Objektiven unerwünscht. Deshalb ersetzt man dort den Blendenwert mit einem t-Wert der eine Kombination aus Blende und Transmissionsverlust angibt.
Zusammenfassung
- Die Blendenöffnung steuert die Lichtmenge.
- Aber nur zum Teil.
- Durch eine längere Brennweite wird das Licht kleiner Ausschnitte auf eine größere Sensorfläche verteilt.
- Durch die weitere Verteilung gelangt weniger Licht auf den einzelnen Sensorpixel.
- Beide Eigenschaften (Brennweite und Blendenöffnung) beeinflußen die Lichtmenge, die auf die Sensorpixel fällt.
- Um die Angaben zu vereinfachen, wird die Blende als Verhältnis von Brennweite zum Durchmesser der Blendenöffnung angegeben.
- Das Verhältnis ist ein Bruch. Von diesem Bruch wird als Blendenwert nur der Nenner angegeben.
- Kleiner Nenner bedeutet einen größeren Wert (1/2 ist mehr als 1/4)
- Kleinere Zahl bedeutet größeren Durchmesser.
- Größerer Durchmesser ergibt größere Kreisfläche der Blendöffnung.
- Größere Blendenöffnung läßt mehr Licht auf den Sensor/Film.
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