Blogparade: Was fasziniert Dich an der Fotografie? (aktualisiert)

Eine einfache Montage durch mehrere vignettierte Belichtungen direkt auf ein Polaroidnegativ.

Eine einfache Montage durch mehrere vignettierte Belichtungen direkt auf ein Polaroidnegativ.

Diese Frage steht im Mittelpunkt der Blogparade von Bernd Hoffmeier.
Mir gibt sie eine Gelegenheit, mal wieder von einer etwas anderen Seite auf die Fotografie (meine Fotografie) zu sehen.
Es gibt verschiedenste Aspekte, die mich an der Fotografie faszinieren, aber eine Sache hat sich in vielen Jahre nicht geändert. Dieser Punkt existierte für mich schon vor meinem Studium. Und er wirkt im Prinzip bis heute.

Kurzfasssung:
Ich kann in bestimmten Sparten der Fotografie Bildgestaltung und „handwerkliche“ (auch im Sinne von manuelle) Problemlösung („Tüfteln“) miteinander verbinden. Für mich ist diese Verbindung beider Bereiche eine spannende Herausforderung, denn sie erfordert zwar unterschiedliche Fähigkeiten, aber in beiden Fällen spielt „Kreativität“ eine große Rolle.


Einige Bilder, oft Landschaften, Stadtansichten oder „journalistische“ Fotos, finde ich quasi nebenbei. Wobei das Finden natürlich kein wirklich passiver Prozess ist, ich versuche, dem Zufall auf die Beine zu helfen, damit dann er mich finden und zuschlagen kann.

Veränderungen

Andere Bilder dagegen muss ich mir mehr oder weniger hart erarbeiten. Das kann dauern, manchmal liegen Monate zwischen der ersten Idee und der Realisierung.
Das sind in der Regel Bilder, die oft nur auf den ersten Blick ein normales Foto sind. Auf den zweiten Blick entlarven sich solche Bilder als Verfremdungen der „Realität“, z.B. als Montagen.Zu der Zeit, als Photoshop für mich noch ein Fremdwort war, fanden diese Montagen gelegentlich in der Duka statt. Eine meiner ersten Bearbeitungen war ein Bild eines Politikers, dem ich statt eines Aktenordners eine Zeitschrift in die Hand drückt, die er normalerweise auch mit der Kneifzange nicht angefasst hätte.
Das kostete mich einige Aufnahme bei einer langweiligen Ausschussitzung und einen ganzen Film mit Bildern einer Freundin, die auf gleichem Film aus gleicher Distanz, gleicher Brennweite und mit ähnlicher Beleuchtung mit der Zeitschrift fotografiert wurde (Proportionen, Auflösung, Schatten und Korn sollten ja gleich sein).
Dann mussten das Original und der „Flicken“ vergrößert werden, es wurde der Aktenordner, also die ihn zeigende die fotografische Schicht vom Fotopapier mit einem Skalpell entfernt und das Flickenstück mit der Zeitschrift, passgenau geschnitten, mit Fixogum platziert. Anschließend wurde das Ergebnis bei weichem Licht auf feinkörnigem Film reproduziert und erneut vergrößert. Sah sehr überzeugend aus.
Einzig, der Politiker hatte an einer Hand sechs Finger. Aber niemand bemerkt das.

Ein Finger ist nicht genug

Das diesen überzähligen Finger niemand bemerkte, war damals für mich ein entscheidender Punkt, das hatte ich vorher noch nicht so deutlich bemerkt.
Diese Manipulation des Bildes war zwar eine gute Übung, und ich war stolz, dass sie mit mit den wenigen mir mit zur Verfügung stehenden Mitteln gelang. Aber es kam mir immer ein bisschen vor wie Betrug, denn die Betrachter glaubten, eine reale  Szene zu sehen. Das lag aber meiner Überlegung nach nicht an meinem Bild, denn das war nur ein Bild, es gab nicht vor, die Realität zu sein.
Das Problem lag in der Rezeption dieses Bildes.
Der Betrachter hielt ein Foto primär für real, so auch dieses Bild. Obwohl doch schon seit Jahrzehnten bekannt war, wie Bilder erzeugt wurden, auf denen nach und nach immer mehr Mitglieder des ZKs der KPdSU verschwanden oder Humphrey Bogart größer erschien als seine Filmpartnerinnen.
Obwohl also eigentlich schon lange bekannt sein sollte, dass Fotos nur einen sehr losen Bezug zur Realität haben, glaubte der normale Betrachter mehr oder weniger unerschütterlich an diesen vermeintlichen Realitätsbezug.

Was konnte ich dagegen tun

Es dauerte einige Zeit, bis ich meine Lösung fand. Die Bilder durften und sollten von der technischen Seite her überzeugen, von ihrem Inhalt her aber nicht glaubwürdig sein. Der Betrachter sollte vielmehr mehr oder weniger schnell, mehr der weniger deutlich sehen, dass das, was er sah, eigentlich unmöglich war. Dieser Bruch zwischen technischer und inhaltlicher Aussage faszinierte mich.
Ich fotografierte in der Folge Bilder, die auf den ersten Blick echt aussahen, aber bei genauerer Betrachtung unmöglich real waren. Manche Bilder gingen mehr in Richtung unglaubwürdig, andere mehr in Richtung real.
Das waren dann z.B. Bilder, auf denen Gegenstände oder Personen  (öfter auch ich selber) mehrfach zu sehen war. Das ging schnell über simple Doppelgängeraufnahmen hinaus, es wurde direkt (aber meist nicht  zur gleichen Zeit) auf Film fotografiert und dabei z.B. unterschiedliche Perspektiven des gleichen Objekts miteinander kombiniert.
Die Bilder entstanden meist ohne dass ich weitere Tricks in der Dunkelkammer anwendete, ich trickste stattdessen mit der Beleuchtung und Brennweiten und Aufnahmeabständen, um in Mehrfachbelichtungen u.a. Größenverhältnisse zu erzeugen, die nicht der „Realität“ (besser: der Erwartungshaltung der Betrachter) entsprachen.
Heute lässt sich so etwas mit  Ebenenmasken in der Bildbearbeitung  jederzeit problemlos umsetzen, damals war das eine echte Herausforderung, man musste bei der Aufnahme mit passgenau geschnittenen Vignetten am Kompendium (der flexiblen Streulichtblende) der Fachkamera mehrere Belichtungen auf das Großformatdia machen, um diese Bilder zu bauen.

Geht es weiter?

Diese Möglichkeit der Fotografie, eine nur auf den ersten Blick reale Welt zu erschaffen, in der Dinge nicht stimmen, fasziniert mich bis heute. Und die dazu nötigen Vorgehensweisen, natürlich seit Mitte der Neunziger ergänzt um die Bildbearbeitung, faszinieren mich ebenfalls, denn kreativ muss man in beiden Bereichen sein.
Eine zeitlang bestimmten diese Bildexperimente meine Bilder sehr stark und sie fanden natürlich auch Einzug in meine professionelle Fotografie.  Da wurden Innenaufnahmen mit unterschiedlich buntem Licht geblitzt, unmögliche Perspektiven eingenommen, DInge ineinander überblendet.
Und heute lebt das weiter, bei meinem Lieblingsthema Kugelpanorama kombiniert sich das ganz wunderbar.
Ich muss bei diesen Panoramen das eigentliche Bild gestalten, indem ich primär den Standort und den Zeitpunkt wähle, den technischen Weg dahin realisieren (und dabei oft Hilfsmittel wie Kamerabefestigungen selber entwickeln und produzieren), dann die Bilder ausarbeiten und zum Panorama zusammenfügen und mich dann noch um die technische und gestalterische Seite der Präsentation kümmern. Ziemlich viele interessante Tätigkeiten.

Gibt es mehr?

Langweiliger mittenlastiger Aufbau, angeschnittene Füße, unscharf und schief ausgerichtet. Aber all das ist egal, es ist ein Erinnerungsfoto mit persönlicher Bedeutung und damit über solche einfachen Kriterien erhaben.

Langweiliger mittenlastiger Aufbau, angeschnittene Füße, mit Farbe, Schrift und Symbol ablenkender Hintergrund und dann noch unscharf und schief ausgerichtet. Aber all das ist egal, es ist ein Erinnerungsfoto mit persönlicher Bedeutung und damit über solche banalen Kriterien erhaben.

Es ist für mich immer wieder überraschend (und eben faszinierend, um bei der Titelfrage zu bleiben), was man noch alles mit Fotografie machen kann.

Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, entdeckt tausenderlei unterschiedliche Arten von Fotografien in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen, vom Röntgenbild bis zu den Ausstellungen in den großen Museen, von der Werbeaufnahme über die Kriegsberichtserstattung bis hin zum „simplen“ persönlichen Erinnerungsfoto, dem wohl häufigsten Einsatzzweck dieses faszinierenden Mediums.

Diese Vielfalt der Möglichkeiten trägt sicher zur gleichbleibenden Faszination des Mediums Fotografie bei.
Zumindest bei mir.

Wie steht es mit Dir? Ich würde mich freuen, wenn Du Deine Gedanken dazu unten in den Kommentaren schreibst.

 

 


Update:
Hier gibt es auf dem Blog von Bernd
die Links zu den anderen Teilnehmern.

 


1 thoughts on “Blogparade: Was fasziniert Dich an der Fotografie? (aktualisiert)

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