Trau? Schau wem! oder: „Unter den Blinden ist der einäugige König“

Als Fotoanfänger hat man es heutzutage auf den ersten Blick sehr leicht. Das ganze Internet ist schließlich voll von Angeboten, um Fotografieren zu lernen.
Es gibt viele Fotokurse und Workshops, die man online oder offline mit und ohne Gebühr besuchen kann.
(Dazu gehört natürlich auch mein kostenloser Fotolehrgang im Internet, der seit über 20 Jahren immer weiter aktualisiert und überarbeitet wird.)
Und dann gibt es auch noch Videos und Podcasts und  natürlich auch noch diverse Foren und „Social Media“, also zur Zeit wohl in erster Linie Facebook.

Gerade Foren oder auch spezielle Facebookgruppen werden von Fotoeinsteigern gerne genutzt, wenn die ersten Probleme beim Fotografieren auftauchen.
Ist ja auch logisch. Bevor man sich stundenlang Videos anschaut (die manchmal leider weder didaktisch noch inhaltlich auf der Höhe der Erkenntnis sind) oder gar noch längere Zeit Texte liest, die irgendjemand, der sich für kompetent hält, ins Netz gestellt hat, oder gar einen kostenpflichtigen Kurs bucht, …
… bevor man sowas macht, stellt man seine konkrete Frage doch ganz einfach in einer der Gruppen, oder? Und es antwortet ja auch fast immer sofort jemand.

Und dann?

Je nach Größe der Gruppe (und Geschlecht der Fragenden? ;-)  geht dann der Fozziebär ab. Die Antworten kommen, erst nur eine oder zwei. Aber noch bevor man diese ganz gelesen hat, kommen noch mehr.
Wenn die Gruppe nur groß genug ist, prasselt auf den armen Fragesteller innerhalb kürzester Zeit eine große Menge zumindest gut gemeinter Antworten ein.
Doch da beginnt das Problem erst. Es sind nicht nur viele Antworten, sondern es sind zum Teil auch widersprüchliche Aussagen darunter.
Und nicht immer sind die Antworten tatsächlich von Wissen inspiriert. Oft ist einfach eine große Hilfsbereitschaft der tragende Grund hinter der Antwort. (Was es mir natürlich schwer macht, das zu kritisieren, diese Leute meinen es ja gut.)

Freundliches Halbwissen

Man will dann, weil man ein netter Menschen ist, einfach helfen. Einige, die mal irgendwo irgendwas gehört haben oder zumindest einen kennen, der mal etwas gehört oder gelesen hat, tragen dann eben dieses „Wissen“ bei. Es könnte ja vielleicht die passende Antwort sein.

Das Problem ist, dass dabei das eigene persönliche Teilwissen der Antwortenden die  Lösungsvorschläge massiv beeinflusst. Es gibt da so ein nettes Sprichwort, wohl aus dem amerikanischen, „Wenn man nur einen Hammer hat (bzw. kennt), sieht jedes Problem wie ein Nagel aus.“
Und so wird dann lustig drauflos geraten (sic!).

Dann wird z.B. bei einem eindeutig verwackelten Foto(*) in bester Hilfsabsicht in jede mögliche und unmögliche Richtung ungehemmt drauflos spekuliert.
In dem eigentlich klaren Fall der Verwacklung kommen dann Antworten, die von „Fallschaden am Objektiv“ bis zu „falscher Kamerafirmware“ gehen. Natürlich werden auch „unklug gewählte Autofokusmesspunkte“ oder die beliebte „Backfocus/Frontfocus Problematik“ erwähnt.

Ja, eine Verwackelung kann man fast immer recht eindeutig erkennen, dazu später mehr.

Die Ratschläge richten sich halt nach dem, was im Wissensschatz des jeweils Antwortenden gerade so präsent ist. Man will ja auch nicht als dumm dastehen und trägt deshalb gerne mit eigenen Antworten zur Klärung bei (… oder nicht).

Kurzer Einschub

ISO, Blende und Belichtungszeit sind für Dich noch böhmische Dörfer? Dann komm doch einfach in meinen Grundlagen Fotokurs im Ruhrgebiet.
Da kannst Du Fotografieren aus erster Hand lernen. Und die Praxis und der Spaß kommen dabei nicht zu kurz.
Aktuell:

Der nächste Termin für meinen zweitägigen
Grundlagen-Fotokurs (Zeche Zollverein) ist am Wochenende

06.04.24/07.04.24 (Sa./So.).

Und Termine später im Jahr sind natürlich auch schon verfügbar.

Information und Anmeldung
Und jetzt weiter im Thema....
5+

Da die Wissenden oft hoffnungslos in der Minderheit sind, das Mitteilungsbedürfnis aber recht gleichmäßig zwischen den Teilnehmern verteilt ist, werden die „nicht-ganz-richtigen-Antworten“ vermutlich schnell zahlenmässig führen.
Leider erkennt man als Fragesteller die Zusammenhänge und damit die falschen Antworten erst, wenn man selber etwas mehr weiß.
Und damit sind wir bem zweiten Sprichwort:

„Unter den Blinden ist der einäugige König.“

Man kann dann als „Auskenner“ natürlich versuchen, in der Gruppe falsche Antworten richtig zu stellen. Man kommt mit dem Richtigstellen der ganzen falschen Hinweise aber oft gar nicht nach.
Und es ist auch nicht klug, dass zu sehr zu forcieren, man wird dann gerne mal als unsympathischer Besserwisser dargestellt, denn der Antwortende hat es mit der anscheinend falschen Antwort ja doch nur gut gemeint.
Die Hinweise und Erklärungen, dass die eine oder andere Antwort nicht stimmt, inkl. „Beweisführung“ warum sie nicht stimmen kann, machen den ganzen Strang der Antworten auch nicht  übersichtlicher.

Wie man das Problem lösen kann?
Ich weiß es nicht. Ich kann Dir nur raten, nicht alles zu glauben (auch mir nicht), nur weil es in bester Absicht geschrieben wurde und Du es selber auch nicht besser weisst.

Vielleicht hilft Dir aber eine grundsätzliche Überlegung:
Immer dann, wenn einfach nur Behauptungen aufgestellt und simple Rezepte angeboten werden – ohne die Zusammenhänge zu erklären – wäre ich vorsichtig.
So scheint ein Problem schnell und einfach gelöste zu werden, aber so kann man eben auch schnell in die irre geführt werden.
Wenn nicht nur schnell eine „Lösung“ präsentiert wird, sondern die Zusammenhänge nachvollziehbar erklärt werden, dann kann man davon ausgehen, daß die Schlussfolgerungen richtig sind.
Das erfordert etwas mehr Zeit, bringt Dir aber zusätzlich ein besseres Verständnis der gesamten Zusammenhänge.
Wer wirklich lernen will sollte diesen Weg gehen.

Zwei Seiten

Die ganze Problematik hat ja auch zwei Seiten.
Die eine ist sogar persönlich gut für mich. Mancher bemerkt die Problematik der schnelle Tipps und Rezepte und versucht, selber die grundlegenden Zusammenhänge.
[Und kommt dann, nach all den unklaren oder falschen kostenlosen Antworten doch noch in meine Grundlagen-Fotokurse. ;-) ]

Aber es gibt auch eine schlechte Seite.
Durch so einen Haufen Durcheinander ist der arme Frager schlussendlich völlig verwirrt. Fotografieren erscheint ihm dann zu umständlich und kompliziert und seine Kamera wird evtl. im Schrank landen, weil er zum Fotografieren wieder auf das vermeintlich einfachere Smartphone umsteigt.

Damit letzteres nicht passiert, habe ich schon vor vielen Jahren meine Frageecke(n) eingerichtet. Das Angebot steht, ich beantworte Dir gerne Deine Fotofrage, (soweit ich kann). Online unter Fotolehrgang / Frage & Antwort und offline bei meinem monatlichen Fototreffen für jedermann.
[Du fragst, ob ich denn überhaupt kompetent bin?
Zumindest habe ich Fotografie nicht nur mit Diplomabschluß an der Uni studiert, sondern bin seit mittlerweile mehr als drei Jahrzehnten professionell als Foto-Erklärbar unterwegs.
Vielleicht reicht Dir das als Beleg. ;-)
]

Hilf Dir selbst

Aber, viel besser, Du kannst Dir auch selbst helfen und versuchen, Deine missglückten Bilder zu analysieren. Das ist der Königsweg, weil Du so Deine eigene Kompetenz erweiterst und für solche eher einfachen Dinge nicht mehr auf andere angewiesen bist.
Das ist auch gar nicht schwer, die typischen Aufnahmefehler haben oft ein entsprechend typisches Aussehen und eine ebenso typische Geschichte, so dass man sie mit ein wenig Wissen und Nachdenken recht gut erkennen kann.

Aber zu Anfang ist das zugegeben schwer, einfach weil es so viele Begriffe und Möglichkeiten gibt, die für einen Einsteiger neu und unklar sind.

Um Dir dabei zu helfen, diese typischen Fehler in Deinen Problembildern eindeutig zu erkennen, werde ich hier in meinem Blog nach und nach einige kurze Texte mit Erklärungen und Beispielbildern zu diesen Fehlern posten.

Der erste Text ist:
Woran erkennt man Unschärfe durch Vewackeln?

zum Fotokurs

Fotokurse mit Tom! Striewisch

9. Juni 2017 17:48


2 thoughts on “Trau? Schau wem! oder: „Unter den Blinden ist der einäugige König“

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