Paris im Herbst
Jetzt bin ich schon über eine Woche zurück und trotzdem immer noch ganz „geflasht“ von Paris.
Ich habe ja eigentlich gedacht, ich würde hier in Essen in einer Großstadt wohnen, immerhin ist das Ruhrgebiet ein Ballungsraum mit 5 Millionen Einwohnern. Und wir haben hier ja auch eine sehr hohe Dichte an wirklich hervorragenden Museen, Theatern, an Opernhäusern, Kinos etc.
Und Multikulti, diese Mischung mit fremden(?) Kulturen, ist ja auch schon seit über 150 Jahren vorhanden.
Aber, wenn ich mir Paris dagegen ansehe, dann ist das hier zuhause doch eher dörflich. ;-)
Paris dagegen ist überwältigend. Nicht nur wegen der vielen Sehenswürdigkeiten (um die ich zum Teil einen großen Bogen gemacht habe). Die Stadt ist wirklich ein Eldorado für Fotografen, es gibt unglaublich viel zu sehen und viele interessante Motive, von Landschaft über „Cityscapes“ und Architektur bis hin zu dem, was man so allgemein unter „Streetphotography“ versteht. Sehr angenehm ist dabei, dass sich kaum ein Mensch darum kümmert, ob man Fotos macht, weil fast alle fotografieren. Wenn Du „Street“ lernen willst, ist das ein unglaublich gutes Übungsgebiet, um die Ängste weg zu fotografieren.
Wie was wo
Unsere Tage in Paris waren sehr intensiv, wir waren in einer wirklich erstklassigen B’n’B-Unterkunft ganz zentral – mit allen Vor- und Nachteilen – im Bahnhofsviertel am Gare Du Nord in einem klassischen Pariser Wohnhaus der Haussmann-Zeit. Es gibt dort ein wunderbares Treppenhaus, ein tolles Zimmer, mit viel Geschick und Liebe renoviert, im 5 Stock mit Balkon und Blick über Paris, tolles Bad, gelungene Kitchenette, nette Vermieter.
Von dort aus konnten wir alles zu Fuß erreichen, was wir erreichen wollten. Es waren aber auch mal an die 20km am Tag, die wir kreuz und quer gelaufen sind. Mir macht das nichts und zur Not kann man ja auch Metro fahren.
Der Vorteil beim Erlaufen einer Stadt besteht aber darin, dass man viel subtiler die Unterschiede einzelner Stadtviertel bemerkt.Ich mach das oft so in (fremden) Städten, einigermassen gutes Wetter vorausgesetzt. (Wir hatten mit dem Wetter absolutes Glück und einige wirklich schöne Spätsommer- oder besser Frühherbsttage erwischt.
Passiert
Was mir besonders gut gefiel, waren die zufälligen Begebenheiten, die man sich auf diese Art erläuft. Am zweiten Tag liefen wir Z.B direkt morgens einfach so in eine anscheinend improvisierte kleine Modefoto Sitzung in einer Seitenstraße im Marais. War ganz interessant, einem anderen Fotografen (besser einer Fotografin) bei der Arbeit zuzusehen.
Später sind wir durch Zufall an einem Schaufenster vorbeigelaufen, in dem ich aus dem Augenwinkel ein SW-Bild eines Surfers, ein Buch und ein Surfbrett sah. Irgendwas klingelte in meinem Kopf: ich erinnerte mich daran, vor einiger Zeit in einer Fotozeitschrift von einem Fotografen gelesen zu haben, der mit Großformat und dem Wet-Plate-Aufnahmeverfahren (nasses Kollodium) ehemalige (und aktuelle) Surflegenden auf Hawai fotografiert hat.
Wir sind deshalb auf „gut Glück“ rein in die Galerie und haben uns die großformatigen Bilder angesehen. Phänomenal!
Durch das große Format der Bilder wurde eine Besonderheit sehr deutlich: die unscharfen Hintergründe der (überwiegend) Portraits sahen irgendwie ungewöhnlich aus. Es war da eine Art Dynamik drin, die unglaublich gut zu dem Thema „Surfen“ passte. Das „Bokeh“, um mal diesen Trendbegriff zu verwenden, wirkte fast wellenförmig gedreht, was sicherlich auf das verwendete Petzval-Objektiv (eine sehr alte Konstruktionsweise für Objektive) zurück zuführen ist.
Ich konnte sogar noch mit dem Fotograf Bernard Testemal persönlich sprechen, er war in der Galerie anwesend.
Das sind diese zufälligen Begegnungen, die man halt am ehesten erlebt, wenn man läuft.
Einen Tag später laufen wir dann mitten in die Dreharbeiten zu einem Film, der wohl in den 20iger Jahren des letzten Jahrhunderts spielen wird. Überall alte Autos, Pferde und Blumenverkäufer am Straßenrand. Spannend.
Und auf unserem weiteren Weg konnte ich dann sogar noch schnell selber in ein Filmszene eintauchen (auch wenn es zur falschen Tageszeit war). Ich habe auf der kleinen Seitentreppe an der Kirche Saint-Étienne-du-Mont Platz gesessen, auf der Owen Wilson in Woody Allens „Midnight in Paris“ seine Zeitreise begann.
Fiat und Fuji
Eine so hohe Dichte an Fiat500 wie in Paris ist mir bisher noch nicht untergekommen. Natürlich war das überwiegend das neue Modell, aber auch einige gut erhaltene ältere Versionen waren zu bewundern.
Ansonsten scheinen neben den Touristenbussen Motorroller (speziell dreirädrige) das Straßenbild zu beherrschen, meist mit einer regen- und wintertauglichen Schutzausstattung. Und meist mit Fahrern, die von den Regeln des Straßenverkehrs vielleicht mal was gehört haben, diese aber höchstens als Herausforderung sehen. ;-)
Natürlich gibt es, wie schon erwähnt, unheimlich viele Fotoapparate auf den Straßen. Zumeist digitale Spiegelreflexkameras, oft von Frauen benutzt. Aber ich habe auch viele Systemkameras im Einsatz gesehen, speziell Sonys A7-Typen, die gerade bei Touristen aus Asien sehr beliebt zu sein scheinen.
Und was mich fast umgehauen hat, war die Unmenge an Fuji X100 Kameras, die ich dort sah. Wenn ich hier damit herumlaufe, bin ich meist eher ein Exot, in Paris war das Ding dagegen fast schon eine Mainstreamkamera.
Das geschickte Fuji-Marketing mit Zack Arias und Co. scheint bei den Besuchern (oder sind da auch Einwohner dabei?) der Geburtsstadt von Magnum zu funktionieren.
Na, und dann gab es natürlich noch eine endlose Menge an Smartphones, die meist an Selfiesticks brecht enutzt wurden. Mancher hatte anscheinend keine Lust, den Stick zu demontieren, das sah dann lustig aus, wenn mit der „XXL-Antenne“ am Smartphone telefoniert wurde.
Ach ja, nicht vergessen darf ich die Unmengen an Hochzeitsfotografen. Paris ist ja nicht nur die Stadt der Fotografie, sondern auch die Stadt der Liebe (so sagt man zumindest). Und da ist es nicht verwunderlich, dass es unglaublich viele Hochzeits-„shootings“ gab. Mit Brautpaaren aus aller Welt, aber ein großer Teil kam anscheinend aus Asien. Und es wurde überall fotografiert, in den Tuilerien, auf der Pont-Neuf, am Louvre, vor Notre-Dame, hinter Notre-Dame, und links davon auch. ;-)
Sonstiges
Um die typischen Denkmäler und Sehenswürdigkeiten haben wir öfter eher einen Bogen gemacht, aber es bleibt natürlich nicht aus, das man sie immer irgendwo hervorschauen sieht. Manchmal fühlte ich mich fast wie Jaques Tati in seinem Film „Playtime“, der auf seinem Weg durch Paris den Eifelturm immer wieder (nur) als Schatten und Spiegelung sieht. (Übrigens bin ich nichts ahnend ganz in der Nähe der Tati-Gedenktafel an seiner ehemaligen Wohnung vorbeigelaufen. Ich hätte ja gerne das Haus mal angefasst. Tja, manchmal wäre etwas Vorbereitung auch nicht schlecht.)
Fotoreise geplant
Auch wenn es keine echte Fototour war, habe ich doch soviel gesehen, dass mir klar war, daß ich nächstes Jahr unbedingt eine Parisfahrt mit Teilnehmern meiner Fotokurse machen will. Themenschwerpunkt Bildgestaltung / Architekturfotografie / Stadtansichten /Strassenfotografie / Details – also kurz und knapp: Reisefotografie.
Um die ersten Eckdaten habe ich mich in den letzten Tagen gekümmert, mittlerweile ist klar, es wird die zweite Septemberhälfte 2016 werden. Eine kleine Gruppe von fünf bis maximal acht Teilnehmern, drei oder vier Übernachtungen.
Und wir werden viel laufen. ;-)
(Wenn Du daran Interesse hast, kannst Du Dich gerne auf die Parisfahrt-Infoliste setzen lassen, dann bekommst Du alle Infos in Dein Emailpostfach.)