Manuelles Belichten und die (vermeintliche) Entschleunigung

Mit den meisten Kameras kann man recht einfach manuell Belichten

Gerade habe ich durch Zufall auf einer Seite mit Workshopangeboten gelesen, dass manuelles Belichten den Fotografen „einbremst“.
Das wurde in dem Zusammenhang  der Website  durchaus positiv als erstrebenswerte „Entschleunigung“ verstanden.

Das Ganze war dann noch etwas etwas „esoterisch“ verbrämt a la „manuelles Belichten lässt Dich Deinen eigenen Rhythmus spüren, lässt Dich Deinen eigenen Schwingungen folgen … “.  ;-)

Mal im Ernst, was soll denn so ein Blödsinn?
Ich weiß wirklich nicht, warum immer wieder behauptet wird, dass manuelles Belichten umständlicher und/oder langsamer wäre als die Verwendung der Automatik. Auch Menschen, die es als Workshopleiter ja eigentlich besser wissen sollten (das hoffe ich zumindest für die Teilnehmer), verbreiten diesen Unsinn.
Meistens ist es aber doch genau anders herum.

Schauen wir und das mal an:

Der Ablauf

Ich gehe davon aus, dass Fotografierende (um das geschlechtsneutral zu halten. ;-) ) zu Werke gehen, die Ihre Bilder bewusst gestalten und dazu u.a. auch Schärfentiefe und die Bewegungs(un)schärfe verwenden.
Also wird entweder eine Blendenöffnung (Schärfentiefe) oder eine Belichtungszeit (Bewegung) vorgewählt.
In der Automatik sucht nun die Kamera mit dem Belichtungsmesser den passenden Gegenwert für eine richtige Belichtung (evtl. wird dann auch noch der ISO-Wert per Automatik angepasst.)

Manuell muss ich den Gegenwert selber suchen (und evtl. den ISO-Wert anpassen) das ist also ein Geschwindigkeitspunkt für die Automatik. [Und ein Entschleunigungspunkt fürs manuelle Einstellen. ;-) ]

Zweites Foto belichten

Aber wenn ich in der gleichen Beleuchtungssituation (z.B. sommerlicher Sonnenschein) ein weiteres Foto mit geändertem Ausschnitt fotografieren will, ändert sich der Bildinhalt und mit ziemlicher Sicherheit verändert sich das Verhältniss heller und dunklere Bereich im Bild.

Es kommt dann eine Schneefläche ins Bild oder ein dunkler Waldsaum, die weißen Wolken nehmen einen größerer Bereich ein oder die dunkle Holzhütte wandert ins Bild, es verändert sich die Gewichtung, die Flächenanteile der einzelnen Helligkeiten.

Illustration zu:Fehlbelichtung dank Automatik

Fehlbelichtung dank Automatik. Durch den Schwenk nach rechts kommt die große Fläche der dunklen Hütte ins Bild. Die Flächenverteilung der Helligkeiten verschiebt sich nach dunkel, die Automatik reagiert und macht das Bild zu hell. Dadurch geht die weiße Wolke rettungslos ins reine Weiß, ohhe jeder Zeichnung, ohne Räumlichkeit und Körper. Der sichere Tod eines solchen Landschaftsfotos. Manuell hätte man dagegen einfach unverändert belichten können,die weiße Wolke und alle anderen Motivdetails haben ihre Helligkeit ja nicht verändert. Und werden das auch während der gesamten Almwanderung an diesem sonnigen Tag nicht machen. 

Manuell kann man dann den Belichtungsmesser einfach ignorieren und weiter fotografieren. Es hat sich zwar das Verhältnis geändert, die Motivdetails werden aber weiterhin von der gleichen Lichtquelle beleuchtet und so hat sich die Helligkeit der einzelnen Motivdetails wie Himmel, Wald, Wiese und Wolken nicht verändert.
(Bei meinem Fotokurs am letzten Wochende habe ich wieder einige überraschte Gesichter gesehen, die zuerst nicht glauben wollten, dass es wirklich so einfach ist. Doch es gibt kaum etwas überzeugendes, als es selber auszuprobieren. ;-)

Durch die in den beiden Bildausschnitten unterschiedlichen Flächenanteile heller und dunkler Motivdetails ändert sich die durchschnittliche Helligkeit der Gesamtfläche des Bildes.  Die Automatik weiß nichts vom geänderten Ausschnitt und wird deshalb annehmen, dass sich die Beleuchtung geändert hat. Und entsprechend die Belichtung verändern.

Alle Motivdeatils werden dann heller (oder dunkler) wiedergegeben. Und das heißt, falls die erste Belichtung richtig war, dass das Bild jetzt falsch belichtet wird.
Der Fotograf muss dann eingreifen und mit der Belichtungskorrektur gegenarbeiten.
Das ist ein Geschwindigkeitspunkt fürs manuelle Belichten. (Und ein „Esoterikpunkt“ für die so den Fotografen zur Entschleunigung zwingende Automatikfotografie).
Und mit jeder weiteren Aufnahme unter gleichen Bedingungen mit geänderten Auschnitten bekommt die Automatik weitere Geschwindigkeitsnachteile, weil jedesmal neu korrigiert werden muss.

Also ich finde, dass die Belichtungsautomatik viel besser fürs Entschleunigen geeignet ist!

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Illustration Kaffeetasse


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