Ich habe einen neuen „Helden“ gefunden…

Orbetello, 1974, © Eredi Luigi Ghirri

[Aktualisiert 20.06.2018] Gut, es ist nicht das erste Mal passiert. Ich hätte es wissen müssen, ein Besuch im Museum kann bewusstseinserweiternd wirken.
Aber diesmal kam ich kopfschüttelnd wieder raus. Kopfschüttelnd über mich.
Aber der Reihe nach:

Gestern, Freitag, war in Essen das 17. Kulturpfadfest, bei dem auf einer Wegstrecke, die vom Museum Folkwang bis in die Essener Innenstadt führt, an verschiedenen Stationen „Kultur“ präsentiert wird. Ob im Museum, im Kino, im Theater oder Open Air: Musik, Malerei, Schauspiel, Fotografie, es ist eine wilde MiSchung.
Und nach mehreren Jahren hatte ich endlich mal wieder Zeit, mir das anzusehen. Also ab auf die Fahrräder (meine charmanten Begleitung war dabei). Und der Einfachheit halber (und weil ich ein eher systematischer Mensch bin) fuhren wir dann an das eine der beiden Enden des Kulturpfades, zum Museum Folkwang.
Dort sollte es eine Kurzführung durch die Fotoausstellung „Karte und Gebiet“ mit den Bildern Luigi Ghirris geben.
Das passte perfekt!
An der Ausstellungseröffnung vor einigen Wochen hatte ich leider nicht teilnehmen können. Und auch zu einem normalen Besuch war bisher noch keine Zeit. (DSGVO sei „Dank“!) 
Aber jetzt klappte es. 
Und ich war begeistert!

Die Ausstellung

Illustration zu Lido di Spina, 1974, © Eredi Luigi Ghirri

Lido di Spina, 1974, © Eredi Luigi Ghirri

In der Ausstellung sind Bilder, die mit Gefundenem Geschichten erzählen. Es geht bei diesen Fotos nicht um technische Brillanz, um Blende, Belichtungszeit oder Schärfeleistung. Es geht auch nicht um das phantastische Licht, die große Inszenierung oder den ungewöhnlichen, spektakulären Moment oder entscheidenden Augenblick.
Auf den Bildern von Luigi Ghirri finden sich in vielen seiner Serien zum Beispiel keine Menschen. Die Fotografien leben nicht von den (nicht) abgebildeten Personen, dem besonderen Licht oder dem Augenblick und man hat das Gefühl, das sie auch gut und gerne ein wenig früher oder später genauso hätten fotografiert werden können
Aber eben nicht von jedem.
Viele Menschen werden an den Szenen, die er aufnimmt , einfach vorbeigelaufen sein.

Die Bilder

Illustration zu Engelberg, 1971, © Eredi Luigi Ghirri

Engelberg, 1971, © Eredi Luigi Ghirri

Denn Luigi Ghirri fotografiert das auf den ersten Blick Banale und Selbstverständliche. Im Gegensatz zu anderen Fotografen, die ein ähnliches Sujet bearbeiten, gibt er diesem banalen auch eine auf den ersten Blick genauso banale und selbstverständliche Bildform.
Da gibt es keine überhöhten Großformate, keine ausgefeilten Präsentationen auf edlen Materialien. Das sind und bleiben Foto in kleinen Formaten, fast wie Amateurbilder seiner Zeit (70iger und 80iger Jahre des letzten Jahrhunderts.)

Doch gerade deshalb erzählen diese Bilder viel über die Menschen und die von ihnen wahrgenommene und geschaffene Umwelt. Und es gibt einen deutlichen Bruch zur Amateurfotografie.
Im Gegensatz zu vielen Amateurbildern sind Ghirris Aufnahmen bei aller Schlichtheit sehr durchdacht gestaltet. So durchdacht, dass einige als Lehrbuchbeispiel für die bewusste Gestaltung auch des Banalen dienen könnten.
Und gerade auch durch die in konzeptioneller Fotografie (und dazu gehören Ghirris Bilder im besten Sinne) häufig anzutreffende Serien von Bildern entsteht eine über ihnen stehende „Erkenntnis“.

Ich war wirklich völlig „geflasht“ von den Bildern und konnte nur den Kopfschütteln, dass ich von diesem großartigen Fotografen noch nie gehört habe.Völlig unverständlich. Habe ich da einen blinden Fleck?
Nun ja, von Null auf Hundert hat er sich jetzt auf jeden Fall einen vorderen Platz in meiner Liste von Lieblingsfotografen erobert.

Serien

Leider lässt sich die Wirkung der Aufnahmen, speziell der Serien und Gruppen, mit den wenigen Pressebildern, die mir zur Verfügung stehen, nicht darstellen, man muss das im Zusammenhang vor Ort im Museum sehen. Un dich werde mir beim nächsten Besuch im Museum die Bilder auch mal in den verschiedenen Büchern  ansehen, das könnte eine angemessenen Präsentationsform sein. (Wie ich später im Schaufenster gesehen habe, ist eines mit einem Vorwort von William Eggleston, das passt. ;-) )

Ich werde in den nächsten Wochen (die Ausstellung läuft noch bis Mitte Juli) auf jeden Fall versuchen, noch mehrmals mal die Bilder in Ruhe auf mich wirken lassen. Meine Begleiterin will dann auf jeden Fall auch dabeisein, ich habe sie wohl mit meiner Begeisterung angesteckt.
Vielleicht vereinbare ich auch eine gemeinsamen Besuch mit den Teilnehmern meiner Bildgestaltungskurse. Das würde sich anbieten, da gibt es einiges, von dem man lernen kann.
(Du willst dabei sein? Melde Dich bei mir oder in den Kontakten.)

Fazit

Definitiv: 
Besuchsempfehlung!
Wenn Du dich für Fotografie abseits der großen Standardthemen interessierst, geh hin! Bald! Nicht zu lange warten!

Und wenn das zur Mobilisierung noch nicht reicht: Im Museum Folkwang muss man für diese große (und großartige) Ausstellung keinen Eintritt zahlen.
Und als letztes Mittel: im Museum ist es klimatisiert! ;-)

Zur Ausstellungswebsite

AKTUALISIERT

Morgen, am 21.06.18 findet von 14:00 bis 17:00 im Museum Folkwang eine Veranstaltung zur Fotoausstellung „Karte und Gebiet“ mit den Bildern Luigi Ghirris statt.
Der Titel lautet: „Luigi Ghirri. Fotografie als Begehren – Podium und Workshop
Ob das was taugt oder nicht? Keine Ahnung, ich gehe einfach mal hin. Laut Auskunft des Museum muss man sich nicht anmelden und es ist kostenlos.
Auf der Seite des Museums gibt es weiterführende Informationen zur Veranstaltung.

Sehen wir uns da? (Schick mir eine Email!)

geschrieben/aktualisiert: / 20. Jun 2018

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