Welches Seitenverhältnis soll ich wählen?

Welches Seitenverhältnis soll ich wählen?

Kürzlich erreichte mich die Frage nach der Wahl des richtigen Seitenverhältnisses in den Grundeinstellungen der Kamera.

An vielen Kameras kann man in diesem Bereich des Menüs ja unterschiedliche Vorgaben für die Bilder auswählen, u.a. zum Seitenverhältnis.

Das ist ein grundlegendes Thema, das in den Voreinstellungen der Kameras zu finden ist. Und zu dem man sich ein paar Gedanken machen sollte. Nicht nur wegen der technischen Überlegungen, sondern natürlich auch aus gestalterischen Gründen.
Ich werde verschiedene Aspekte zu den grundlegenden Kameraeinstellungen Seitenverhältnis, Bildqualität und  Pixelmenge hier im Folgenden kurz darlegen — beginnen werde ich dabei mit technischen Überlegungen.

Bildqualität

Eine der grundlegenden Vorgaben ist die (Bild-)Qualität. Mit ihr mit wird im Prinzip die Intensität der Komprimierung der Bilddaten geregelt. Eine hohe Komprimierung erzeugt kleinere Dateien und erlaubt es so, mehr Bilder auf der Speicherkarte unterzubringen.
Aber sie  verursacht auch eine schlechtere Bildqualität.

Illustration zu "Bildqualität"

Wahl der Bildqualität an einer älteren Canon-DSLR. Die Symbolik hat sich bis heute nicht geändert, ein „eckiger“ Viertelkreis bedeutet schlechtere Bildqualität. „L“,“M“ und „S“ stehen für unterschiedliche Bildgrößen (Abmessung in Pixeln)

Das kann vor allen Dingen dann Probleme bereiten, wenn die Ausarbeitung des JPEGS durch den Computer in der Kamera nicht zu Deiner Bildvorstellung passt.
Und genau das kann ja leider gerade bei perfekt belichteten Bilder recht häufig passieren. (Siehe: „Wer richtig belichtet, der braucht keine Bearbeitung! Stimmt das?„)

Wenn Du dann in der Folge selber bei der Ausarbeitung der Bilder Hand anlegen musst, ist es wichtig, dass Dir dazu eine möglichst gute Bildqualität zur Verfügung steht. Denn insbesondere das Aufhellen der Schatten (bei wirklich perfekt belichteten Bildern oft zwingend notwendig, siehe Link einige Zeilen höher) kann Probleme bereiten, weil die Fehler, die „Artefakte“ der JPEG-Komprimierung dadurch deutlicher sichtbar werden können.

Pixelmenge

Illustration zu "Wahl der Bildgröße"

Wahl der Bildgröße in Pixeln an einer Lumix (Panasonic) 

An den Digitalkameras kannst Du meist auch die Anzahl der Pixel beeinflussen — kleinere Pixelzahlen lassen es ebenfalls zu, mehr Bilder zu speichern.

Aber dadurch verlieren die Bilder mit den Pixeln auch viele Details. Das macht es dann später evtl. schwer, die Bilder größer zu präsentieren.
Und es fehlt dann auch schneller am „Fleisch“ für evtl. nötige Bildausschnitte.

Und mal ganz ehrlich, warum bezahlt man beim Kauf erst teuer die vielen Megapixel, um dann später wegen Sparsamkeit bei der Wahl der Speicherkarte deren Zahl wieder deutlich einzuschränken? 
Das ist doch unsinnig, oder?

Seitenverhältnis

Der letzte Punkt in dem Bereich ist nun der Grund für die Ausgangsfrage, das Seitenverhältniss, in dem die Bilder gespeichert werden. Da lassen sich, je nach Kamera, nicht nur das eigentliche Format des Sensors auswählen (meist annähernd 3:2 oder, bei mFT, 3:4) sondern Du kannst Dich vom Quadrat(1:1) bis hin zu unterschiedlich langen Rechtecken (z.B. 16:9) entscheiden.

Illustration zu "Seitenverhältnis / Bildformat)

Wahl des Bildformats im Menu einer Olympus Systemkamera. Man sieht hier an der Pixelzahl sehr schön, dass beim RAW sowohl in 3:2 als auch bei 4:3 immer die gleiche Pixelzahl aufgezeichnet wird. Erst wenn der Computerteil der Kamera aus den RAW-Daten das JPEG erzeugt findet der Beschnitt statt.

Auch hier muss man sich die Frage stellen, warum man sich schon im Vorfeld künstlich beschränken sollte. Wenn man das volle Sensorformat verwendet, hat man später die Freiheit, den Ausschnitt in Größe und Format anzupassen. Je nach Situation ist dadurch in Grenzen sogar eine Art nachträgliches „Shiften“ per Bildausschnitt möglich. (Mehr dazu später.)

In allen drei Bereichen (Bildqualität, Pixelmenge und vor allem Seitenverhältnis) gilt: Wegschneiden ist einfacher als später „dazumalen“. ;-)

Und der Bildstil?

Eine weitere Vorgabe, die das Aussehen der JPEGs massiv beeinflußt, sind die Bildstile, hier kann man sich zwischen farbenfroh und kontrastreich, evtl. gekoppelt mit stärkerer digitaler Schärfung,  über monochrome (meist schwarzweiß) bis hin zu einem eher saft- und kraftlos wirkenden Bildstil „Standard“ oder „Neutral“ entscheiden.

Illustration zu "Einstellung auf Monochrome an einer Canon 5DMKIV"

Monochrome Bildstileinstellung an einer Canon 5D MKIV(*) (Damit nicht gesagt wird, ich würde immer nur Olympus zeigen. ;-) )

Oft wird in Tutorials / sozialen Medien ein Standardbildstil empfohlen. Damit kann man im Display die Möglichkeiten, die eine RAW-Datei bietet, dann besser erkennen bzw. beurteilen.

Prinzipiell würde ich diese Überlegung auch teilen.
Aber ich verwende andererseits gelegentlich die mit Bildstilen entwickelten JPEGs als Erinnerungsstütze. Ich nutze das JPEG dann, um mich später, z.B. nach dem Urlaub, daran zu erinnern, wie ich mir die Ausarbeitung des RAWs bei der Aufnahme ungefähr gedacht habe.
Und dazu wähle ich für das Foto (meist eine Serie von Bildern) einen entsprechenden Bildstil für das JPEG vor.

RAW

Glücklicherweise wird unabhängig von den gewählten Voreinstellungen zu Pixelmenge und Seitenverhältnis beim RAW (fast immer) das volle Sensorformat belichtet. Erst bei der JPEGisierung der vom Sensor aufgezeichneten und vom Kameracomputer interpretierten Bilddaten kommt es zu den oben genannten Einschränkungen in Qualität, Pixelmenge und Format.

Wenn Du also in RAW fotografierst (evtl. zusätzlich zu JPEG), bleiben die ursprünglichen Fähigkeiten des Sensors erhalten. Du kannst dadurch später unabhängig von den (bei der Aufnahme getroffenen) Voreinstellungen für Komprimierung, Pixelmenge und Seitenverhältnis die volle Qualität des Bildes zur Ausarbeitung verwenden.

Aber Vorsicht, Programme wie Lightroom erzeugen später am Computer dann meist als erstes ihre eigenen Vorschaudateien, um den Bildinhalt darzustellen. Und dabei werden die von Dir womöglich gewünschten Anpassungen des Seitenformats in der Regel nicht berücksichtigt. Eine Ausnahme bilden manche von den Herstellern der Kamera mitgelieferten Programme, die die getroffenen Vorgaben für das Vorschaubild nutzen. Die meisten (alle?) ungebundenen RAW-Konverter machen das nicht. 

Deshalb kann es sich in solchen Fällen als sinnvoll erweisen, wenn Du das JPEG (als Erinnerungsstütze) ebenfalls erzeugen lässt. (Ganz ähnlich wie bei Bildern, die als Schwarzweißfotos geplant sind. (Siehe auch: „Schwarzweiß-Digitalfotografie – Umwandlung in der Kamera oder später?„)


An der Stelle erlaube ich mir jetzt etwas Eigenwerbung: Auch dieses Thema, die Grundeinstellungen der Kamera, wird bei meinen Anfängerkursen zur Digitalfotografie (sei es beim eintägigen Intensivfotokurs oder dem zweitägigen Zollverein-Fotokurs) besprochen.


Und ohne RAW?

Wenn Du mit den Ergebnissen des von Dir gewählten Bildstils in der Regel zufrieden bist und sicher sagen kannst, dass eine andere Ausarbeitung später nicht in Frage kommt, kannst Du die Kameravorgaben gut nutzen.
Andernfalls solltest Du ohne RAW aber auf die Funktion des JPEGs als Erinnerungsstütze verzichten und versuchen, die volle Qualität des Sensor zu erhalten. Wähle dann die schwächste Komprimierung und das ursprüngliche Seitenverhältnis des Sensors mit seiner vollen Pixelzahl vor. So hast Du später noch alle Möglichkeiten offen. 
Eigentlich solltest Du aber generell besser gar nicht erst auf das RAW verzichten. ;-)
(Siehe auch hier: „Warum soll ich in RAW fotografieren?„)

Querformat oder Hochformat? Oder Quadrat?

In meinem kostenlosen „Fotolehrgang im Internet“ geh ich in einem eigene Kapitel auf die gestalterischen Aspekte ein der Fotografie ein. Da spielt natürlich auch der Wahl des Bildformates ein Rolle. Hier nun eine Zusammenfassung.

Quadratisch, praktisch, gut?

Ein quadratisches Bildformat biete einem Motiv Ruhe. Im Gegensatz zum Rechteck betont es keine der Seiten, sondern lässt den Aufnahmegegenstand im Rahmen des Bildes neutral erscheinen. Es eignet sich also gerade für Bilder, die diese Ruhe vertragen oder benötigen.
Allerdings birgt es durch diese Ruhe auch am stärksten die Gefahr, langweilig zu wirken.

Rechteck

Das Rechteck hat im Gegensatz zum Quadrat immer auch gleich eine vorgegebene Ausrichtung. Es kann ja im Quer- oder Hochformat verwendet werden und zwingt so bereits bei der Belichtung zu einer Entscheidung. Zumindest dann, wenn man auf starke Ausschnitte verzichten will.
Seine Ausrichtung nach Quer- oder Hochformat hat starken Einfluss auf die Bildwirkung. 

Querformat

Das Querformat ist vermutlich das am häufigsten genutzte rechteckige Bildformat.
Es ist wohl kein Zufall ist, dass die meisten Kameras bei „natürlicher“ Haltung ein Bild im Querformat ergeben. Dieses Querformat das Bildformat, welches unserer visuellen Wahrnehmung am nächsten kommt.
Diese Nähe zum Alltag gibt dem Betrachter ein vertrautes Gefühl, er wird nicht irritiert. Er kann im Bild wandern, die Hauptrichtung ist horizontal. Bewegungen verlaufen eher links-rechts oder umgekehrt.

Hochformat

Das Hochformat ist nicht nur optisch das Gegenteil zum Querformat, auch gestalterisch erfüllt es ganz andere Aufgaben. Es kann durch seine ungewöhnliche Ausrichtung den Betrachter auf etwas besonderes hinweisen. Auch das Ausschnitthafte und Begrenzte einer Fotografie viel deutlicher hervor als das Querformat und es hat natürlich eine starke vertikale Hauptrichtung. Die Bewegungen im Bild verlaufen eher entlang der Senkrechten.



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Das muss aber doch nicht sein!

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4w

Vergleich

Das Querformat betont die Weite. Es lädt den Betrachter ein, im Bild zu wandern.
Es unterstützt auf diese Art erzählerische oder aufzählende Inhalte. Durch die im Verhältnis zur Höhe recht breite Basis wirkt es sehr stabil und kann damit auch „bewegenden“ (auch im übertragenen Sinne) Inhalten einige Ruhe bringen, die den Betrachter zum Beobachten und Lesen im Bild einlädt. Insgesamt betont es horizontale Linien und ist deshalb u. a. für klassische Landschaftsfotos gut geeignet.

 
Das Hochformat führt den Blick nach oben (oder unten).

Es unterstützt die vertikalen Linien und ist deshalb gut geeignet, Größe, Stärke und Macht durch seine Höhe zu dokumentieren. Es widerspricht der natürlichen Wahrnehmung und betont so das Ausschnitthafte, Reduzierte eines Bildes.
Auf der anderen Seite ist es instabiler, „wackliger“ als das Querformat oder das Quadrat. Es kann dadurch den Betrachter in seiner Wahrnehmung verunsichern.

Vorsicht, Hochformat!

Wenn Bilder am Monitor, Fernseher oder per Beamer wiedergegeben werden, hat das Hochformat einen entscheidenden Nachteil. Große Bereiche des Bildschirms an den Seiten bleiben leer. Die Bildgröße, Detailauflösung und die gefühlte Bedeutung ist so deutlich geringer als bei einem Querformat.
Man kann natürlich hinein zoomen, zerstört damit aber die Wirkung des Hochformats.

Das war in der analogen Welt anders, bei einer Diaprojektion wurde in der Regel ein Quadrat ausgeleuchtet. Die Flächen von Hoch- bzw. Querformat waren deshalb etwa gleich groß.

Aus diesem Grund bemühe ich mich bei Hochformaten (die ich sehr gerne fotografiere) immer zusätzlich ein Querformat aufzunehmen. Das kann in einer Diashow am Monitor als „Ersatz“ für das dann zu klein wirkende Hochformatbild einsetzen.
Das Hochformat setze ich aber für „das Bild an der Wand“ ein. Ich empfinde gearde auch bei Kalender das Hochformat oft als passender. Der Eindruck hängt aber vielleicht auch von meiner Vorliebe dafür ab. ;-)

Sonderlösung „Extrabreit“

Bei manchen Motiven ist es schwer, einen sinnvollen Vordergrund zu finden. Übersichtsaufnahmen vom Rand einer Klippe oder von der Reling eines Kreuzfahrtschiffes fallen zum Beispiel in diese Gruppe. 
In solchen Situationen ist der Abstand zum ersten Motivdetail meist ziemlich groß. Es ist dann nicht möglich einen interessanten Vordergrund im Bild zu integrieren. Das macht es für den Betrachter schwerer, die Tiefe des Motivs einzuschätzen. 

Illustration zu: Ein Beschnitt des Bildes zum Panorama kann bei fehlendem Vordergrund helfen

Wenn kein interessanter Vordergrund vorhanden ist hilft oft eine Beschränkung (oder Erweiterung ;-) ) aufs Panoramaformat.

Eine gestalterische Möglichkeit, mit solchen Motiven umzugehen ist eine übergroße Wiedergabe, die den Betrachter dazu zwingt, das Bild nach und nach mit den Augen abzutasten statt es mit einem Blick zu erfassen. 
Doch das funktioniert nicht, wenn das Bild relativ klein verwendet werden soll oder der Betrachter den Abstand zum Bild frei wählen kann.

Ich habe bei solchen Motiven dann gute Erfahrung mit extrabreiten Bildformaten gemacht. Solche Aufnahmen im Panoramastil funktionieren dann auch mit relativ kleinen Wiedergabeformaten wie der Doppelseite in einem Fotobuch.

(Mehr zum Thema)

Gegen den Strich.

Manche Motive schreien ja regelrecht nach einem bestimmten Seitenverhältnis. Oder scheinen es zumindest zu tun. Bergketten wollen vermeintlich ins Querformat und Leuchttürme verlangen nach Hochformat.
Das ist oft auch richtig. Aber manchmal ist es dann doch besser (und sei es nur im Sinne von interessanter), ein solches Motiv gegen des Strich zu fotografieren. 

Illustration Leuchtturm im Seitenformat quer

Manchmal ist gegen den Strich auch eine gute Wahl

Wenn Du Dir beim Fotografieren unsicher bist, solltest Du das Motiv auf jeden Fall einfach in beiden Varianten ablichten. Dann hast Du später noch beide Versionen zur Wahl und kannst Dich mit etwas Abstand zur Szene gemütlich mit dem Kaffe in der Hand evtl. besser entscheiden. 
Nochmals: „Wegschneiden ist einfacher als „Dazumalen“.  ;-)

In eigener Sache

Die Wahl des passenden Seitenverhältnisses und des richtigen Bildausschnitts ist für die Wirkung eines Bildes von entscheidender Bedeutung. Und so spielen diese beiden Punkte ein wichtige Rolle in meinen Bildbesprechungen im Rahmen meines Grundlagenkurses zum Thema Bildgestaltung.

Ich würde mich freuen Dich dort zu treffen und Dir Tipps geben zu können.
Weitere Informationen, dei genauen Termine und die Anmeldung findest Du auf der Website der Fotoschule-Ruhr. 

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Illustration Kaffeetasse


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