Architekturfotografie muss nicht teuer sein (1+2+3)

Illustration zur Architekturfotografie

Gestaltung mit Abstand und Brennweite in der Architekturfotografie. Der Abstand zwischen den Säulen ist in beiden Aufnahmen gleich groß gewählt, um den Einfluß der Aufnahmeentfernung in Kombination mit dem Bildwinkel (Brennweite) auf die räumliche Wirkung zu zeigen

Vor ein paar Wochen habe ich in der Lokalpresse einen Artikel mit Tipps zur Architekturfotografie gelesen, der von einer renommierten Presseagentur stammte und deshalb vermutlich — als preiswerter saisonaler Lückenfüller ;-) — auch in anderen Zeitungen aufgetaucht sein dürfte.
Leider sind in dem Text aber einige Dinge aus meiner Sicht eher missverständlich und zum Teil auch falsch dargestellt.

Zitat:
„Wir brauchen weitwinklige Objektive, um das Gebäude ganz drauf zu kriegen. (…) Da sind sehr kurze Brennweiten nötig, zum Beispiel 20mm.“

Das hört sich erst einmal logisch an, ist aber dennoch nur zum Teil richtig. Tatsächlich braucht man in der Architekturfotografie manchmal die großen (weiten) Bildwinkel, also kurze Brennweiten, einfach, weil man sich dann nicht weit genug vom Gebäude entfernen kann (oder möchte), um es  vollständig ins Bild zu bekommen.
Dann bleibt, ausser
Detailaufnahmen, nur noch der große Bildwinkel.

Abstand wählen

Aber deshalb ist es in der Architekturfotografie nicht immer wichtig/richtig, eine kurze Brennweite einzusetzen. Oft führt das eher zu Problemen, die man vermeiden könnte, wenn man aus größerem Abstand fotografiert. (Stürzende Linien, um die es weiter hinten gehen wird, werden aus größerem Abstand nicht so dramatisch abgebildet.)


Warum steht im Titel “ … (1+2+3)“?
Dieser Blogbeitrag basiert auf einer dreiteiligen Artikelreihe, die ich jetzt, Ende August 2023, überarbeitet, aktualisiert, ergänzt und zu einem Artikel zusammengefügt habe.
Dadurch ist er recht umfangreich, aber man muss ihn ja auch nicht auf einmal komplett lesen. ;-)
Wenn der zweite oder dritte Teil beginnt, sieht Du das in den Ãœberschriften.


Generell sollte man den Bildwinkel (die Brennweite in Abhängigkeit von der Sensorgröße)  aber eher nicht nach dem Abstand sondern eher nach der gewünschten räumlichen Wirkung wählen.
Diese wird erst durch die passend gewählte Kombination von beidem, Aufnahmeabstand und Brennweite (eigentlich besser: Bildwinkel) entstehen. Beide Punkte müssen in ihrer gemeinsamen Wirkung auf das Bild berücksichtigt werden.

In dem Beispielbild oben habe ich versucht, den Abstand zwischen den Säulen durch Verwendung unterschiedlicher Brennweiten trotz unterschiedlicher Aufnahmeabstände annähernd gleich groß zu halten.
Das obere der beiden Fotos wurde aus größerer Distanz mit einer längeren Brennweite (80mm kleinbildäquivalent) aufgenommen, das untere dagegen aus kürzerer Distanz mit dem größeren Bildwinkel einer kleineren Brennweite (24mm kleinbildäquivalent) fotografiert.
In beiden Fällen sind die Säulen und das Gebäude in der Realität natürlich gleich weit voneinander entfernt, aber die Bilder zeigen trotzdem ganz unterschiedliche räumliche Wirkungen.

Kurze Abstände mit Weitwinkelobjektiv (unteres Bild) betonen die Räumlichkeit, sie betonen die Distanz von Vorder- zu Hintergrund. Große Aufnahmeabstände in Kombination mit längeren Brennweiten (oberes Bild) dagegen scheinen den Raum zu verdichten.
Und wie fast überall in der Fotografie kann auch in der Architekturfotografie je nach Bildidee beides richtig sein.

Eine generelle Empfehlung einer bestimmten Brennweite, wie in dem Pressetext, ist also schon aus diesem Grund nicht sinnvoll. Bei manchen Architekturmotiven möchte man eine betonte Räumlichkeit (Aufnahme aus der Nähe), bei anderen passt eine flachere (nicht negativ gemeint) Wiedergabe besser (Aufnahme aus größerer Distanz).

Außerdem können Objektive trotz fester Brennweitenangaben (im Text wird von 20mm geschrieben) je nach Sensorgröße der Kamera auch noch ganz unterschiedliche Wirkungen haben.
Warum?

20mm Brennweite?

Braucht man für Architekturfotos wirklich 20mm? Und was heißt das überhaupt?
Vermutlich wurde vom Autor des Zeitungstextes eine Vollformatkamera vorausgesetzt, auf dem bei solchen Kameras  (relativ großen) Sensor kann ein 20mm Objektiv tatsächlich einen recht weiten Bildausschnitt wiedergeben.
In diesem Zusammenhang entspricht ein 20mm-Objektiv dann einer ziemlich kurzen Brennweite, es ist ein extremes Weitwinkel.

Doch wie sieht es mit den Sensoren der meisten DSLRs und spiegellosen Systemkameras aus. Diese sind auch heutzutage oft um den Faktor 1,5 oder mehr kleiner als der Vollformatsensor (sie haben meist einen „APS-C“ oder „mFT„-Sensor).
An einer solchen Kamera kann auf dem kleineren Sensor nur noch ein Ausschnitt des Bildkreises und damit des Bildwinkels des 20mm-Objektives aufgezeichnet werden.

Das 20mm-Objektiv ergibt in Kombination mit dem Sensor an diesen häufig eingesetzten Kameras also einen deutlich kleineren wirksamen Bildwinkel, aus dem starken Weitwinkel wird so trotz 20mm Brennweite „nur“ ein eher gemässigter Weitwinkel oder gar fast eine Normalbrennweite.


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